Steffi Frei – Schicksal der Fearane: Feder und Metall (Band 2)

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Den ersten Band der „Schicksal der Fearane“-Trilogie – Die letzte Tiare – hatte ich verschlungen und es ist immer spannend, ob die Nachfolgebände einen ebenfalls so abholen.

To cut a long story short: Mission erfüllt!

„Feder und Metall“ setzt genau da an, wo „Die letzte Tiare“ aufhört und ich war sofort wieder eingetaucht in die Welt der Fearane, Menschen und Zentâris.

Wir begleiten Finéra, Xeron und einige andere Fearanen auf der Suche nach der Tochter von Riáz und Sera. Doch wie man schon aus dem ersten Teil gelernt haben sollte: Das Erreichen eines Zieles führt unweigerlich zu einer noch viel größeren Aufgabe und auch diesmal überschlagen sich die Ereignisse, bis es zum Ende hin extrem spannend und dramatisch wird.

Auf dieser Reise lernen wir nicht nur einige Hintergründe der Geschichte kennen und schreiten zu neuen Taten, sondern das Hauptaugenmerk liegt auf den Charakteren, die Steffi Frei ganz wunderbar zeichnet. Alte Bekannte lernen wir besser kennen, und ich finde es schön, dass das Ensemble erweitert wird und neue Charaktere hinzukommen, die dafür sorgen, dass weder der Leser noch die Gruppe zur Ruhe kommt: Ria ist das eigensinnige Abbild ihrer Mutter und darüber hinaus eine wagemutige Kämpferin; Flin ist der undurchsichtige Fremde, und Dión ist ebenso mutig, wie sein Vater es im ersten Teil war.

Besonders ist mir aber Finéra ans Herz gewachsen, die sich aus Abenteuerlust und aus dem Gefühl heraus, es tun zu müssen, an der Mission beteiligt. Und ihr Mut und ihre guten Ideen sollen schließlich auch auf eine bestimmte Weise belohnt werden … auch wenn sie wahrlich schwere Zeiten durchzustehen hat. Freud und Leid sind ständige Begleiter auf dem Weg der bunten Gemeinschaft.

Ach, zu der Story gäbe es so viel zu sagen, denn es geschieht so viel! Keines der kurzen Kapitel vergeht, ohne dass man die Augenbrauen hochzieht oder auf einer Ebene (sei es in der Hauptquest oder in den persönlicheren Nebensträngen) in der Geschichte weiterkommt. Ich kann mir kaum vorstellen, wie es sich für Steffi Frei angefühlt haben muss, so viele Ideen und Inspirationen im Kopf zu haben! Aber ich bremse mich jetzt und empfehle Euch einfach, die Bücher zu lesen!

Steffi Frei hat eine Welt erschaffen, in der man sich nur wohlfühlen kann; auch wenn das Thema nicht wirklich zum Wohlfühlen einlädt, denn es geht im Großen um das Verlöschen der Lebenskraft eines ganzen Volkes. Auf dem Weg, dieses Schicksal vielleicht noch abzuwenden, erzählt sie von Liebe, Freundschaft und Mut, aber auch von Verrat, Hass und Kampf. Und diese Geschichte erzählt sie dank ihres warmen, liebevollen – und gleichzeitig auch harten und präzisen – Schreibstils ganz wundervoll, und schüttelt den Leser gerne mal emotional durch. Ihr Stil macht es zu einem wirklichen Genuss, der Gruppe auf ihrem Weg zu folgen und mit ihnen gemeinsam zu lachen, zu weinen, zu kämpfen, zu bluten.

Sie hat mit dem zweiten Teil ihrer „Schicksal der Fearane“-Trilogie in meinen Augen alles richtig gemacht. Die Story schreitet (oder gleitet, je nachdem ob ihr Mensch oder Fearane seid) ohne Unterlass voran und Steffi Frei hat es sich nicht nehmen lassen, den Leser immer wieder mit Twists zu überraschen.

Der Buchsatz ist wieder hervorragend geraten, (Tipp)Fehler habe ich keine entdeckt und die Aufmachung mit Karte, und Anhang ist absolut gelungen! Kurzum … das Buch ist eine Zierde für die Sparte der Selfpublisher!

Ich freue mich, dass ich nicht sagen kann: „Der erste Teil war besser als der zweite“ (oder vice versa), denn Steffi ist etwas gelungen, was bei einer Serie sehr wichtig ist: Es ist alles eins und die Bücher gehören zusammen. Ich bin überzeugt, dass, zusammen mit dem dritten Band, ein einziges Buch mit einer großen Geschichte aus einem Guss entstanden sein wird.

Es ist unnötig zu erwähnen, dass ich bereits den dritten Teil lese, oder?

[Es handelt sich bei “Meinen Gedanken zu anderen Büchern” stets um meine rein subjektive Meinung als Leser und ich schreibe sie auf, weil mir danach ist. Das geschieht rein freiwillig.]

Michael Leuchtenberger – Caspars Schatten

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Einer meiner (Blind-)Käufe in Die Wortfiliale war Michael Leuchtenbergers Debüt-Roman „Caspars Schatten“ und das war ein wirklich guter Griff!

Es geht um das Geschwisterpaar David und Miriam, die aus heiterem Himmel eine Einladung von einen alten Schulfreund erhalten, von dem sie schon lange nichts gehört haben. Der Sonderling hatte zu beiden Geschwistern eine besondere Beziehung und daher nehmen David und Miriam die Fahrt auf sich und reisen zu der Feier, die Caspar ausrichtet. Wir lernen die beiden kennen und man fühlt sich bei ihnen sofort wohl, denn sie sind normale Menschen wie du und ich, mit ganz normalen Macken und die Identifizierung fiel mir sehr leicht.

Und mehr versuche ich auch gar nicht zu erzählen, denn bereits auf den ersten Seiten wird eines klar: Michael Leuchtenberger schafft es mit unkomplizierten Worten und Gedanken den Leser anzufüttern und ein Netz um ihn zu spinnen, und es mit jeder Seite ein wenig enger zu ziehen. Das war echt großartig, denn nach wenigen Seiten wollte ich unbedingt wissen, was Caspars Einladung wirklich bedeutet und geriet in einen regelrechten Sog. Und dieses Gefühl des Gefangenseins hatte ich ohne Hänger von der ersten bis zur letzten Seite. Und das lag nicht daran, dass auch David und Miriam nicht mehr so ganz frei in ihren Handlungen waren. Mir hat Michael Leuchtenberger die Entscheidung jedenfalls abgenommen, ob ich abends noch lese oder nicht, denn ich war einfach zu gespannt, wie es weitergeht.

Die Story lebt besonders von der Atmosphäre in Caspars Anwesen und von dem Sonderling selbst, sowie auch von der Ausweglosigkeit, in der seine Gäste sich befinden. Die Intention des Gastgebers, über die ich mich aber nicht auslasse, ist einen zweiten und dritten Gedanken wert. Gut unterhalten und gespannt steuert man auf das Ende zu.

Dazu kommt das Eindrucksvollste: Michaels Fähigkeit, äußerst unterhaltsam und leichtfüßig zu schreiben. Es wirkte unglaublich fluffig und leicht auf mich, wie er mich durch seine 292 Seiten getragen hat und das ist eine Fähigkeit, die nicht jeder Autor besitzt. Das Potential, das in ihm ruht, ist meiner Meinung nach ungeheuer groß und ich freue mich bereits auf seine anderen Bücher!

Die einzigen Punkte, die ich als „Kritik“ anbringen möchte, ist, dass mir in einigen Situationen des Buches die Handlungen der Protagonisten nicht schlüssig waren und ein wenig unlogisch erschienen. Aber akzeptiert man diese kleinen Ungereimtheiten, dauert es nicht lange, denn man wird bereits nach zwei, drei Sätzen wieder in die Handlung gezogen.

Es gibt auch einige Szenen und Details, die ich liebend gerne detaillierter und tiefgehender erläutert bekommen hätte, aber auch nur weil ich neugierig bin; doch andererseits sorgt gerade dieses einfache Erwähnen diverser Dinge und Begebenheiten in einem unheimlichen Ambiente auch dafür, dass man beim Lesen ein unheimliches Gefühl zurückbehält, gerade, weil man es eben nicht erklärt bekommt und eine Aura des Geheimnisvollen bleibt.

Doch darf man trotz der eben genannten Punkte nicht vergessen: „Caspars Schatten“ ist ein Debüt und ich kann voll und ganz verstehen, dass man es als Erstlingsautor nicht zwingend darauf anlegt, die Story (die in diesem Falle noch sehr viel hergeben würde), bis ins letzte Detail aufzuschreiben, um den Leser mit vierhundertfünfzig Debüt-Seiten zu erschlagen, beziehungsweise muss sich ein junger Buchautor auch erst einmal selbst finden und nach und nach seine Grenzen verschieben. Und ich bin überzeugt, dass Michael Leuchtenberger seine Grenzen verschieben wird, denn das Talent und Potential scheint überreichlich vorhanden.

Habe ich bereits erwähnt, dass der Autor in Sachen Buchsatz und Fehlerfreiheit sich eine 1+ verdient hat? Nein? Dann wisst ihr es jetzt. Ich liebe die kurzen Kapitel und auch die Seitenzahl kam mir extrem entgegen, da mir übermäßig dicke Bücher immer Schweiß auf die Stirn treiben.
Im Großen ud Ganzen ist „Caspars Schatten“ ein (weiteres) Paradebeispiel dafür, dass Selfpublisher es einfach draufhaben (können).

Ich muss sagen, dass mir gruselige Romane, die nicht auf Blut und Gedärm, sondern auf unheimliche Atmosphäre und Phantastik setzen, sehr am Herzen liegen und Michael Leuchtenberger hat mit seinem Debüt in dieser Beziehung alles richtig gemacht. Er hat mich von der ersten Seite an richtig gut unterhalten und ich habe die Zeit in Caspars Anwesen, im Gegensatz zu David und Miriam, jedenfalls sehr genossen und freue mich auf weitere Bücher aus seiner Feder!

[Es handelt sich bei „Meinen Gedanken zu anderen Büchern“ stets um meine rein subjektive Meinung als Leser und ich schreibe sie auf, weil mir danach ist. Das geschieht rein freiwillig.]

Steffi Frei – Schicksal der Fearane: Die letzte Tiare (Band 1)

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Es gibt Bücher, die lässt man gerne mal ein paar Tage liegen und es gibt Bücher, auf die man sich den ganzen Tag freut.

Letzteres ist bei dem ersten Teil von Steffi Freis „Schicksal der Fearane“-Trilogie der Fall, denn auch wenn die Geschichte mitunter höchst dramatisch und herzzerreißend ist, ist „Die letzte Tiare“ ein Wohlfühlbuch für mich. Jeden Abend bin ich voller Freude mit den Fearanen und Menschen durch Wälder und Dörfer gereist, habe mit ihnen gelacht, getanzt, gekämpft und geweint.

Um was geht es ganz grob? Die Tiare Sera wird gezwungen, ihr Leben zum Wohle aller Fearane, einem naturverbundenen und gefiederten Volk, von Grund auf zu ändern und eine Aufgabe zu übernehmen, die sie so (und schon gar nicht auf diese Weise) niemals übernehmen wollte. Durch ihre starrsinnige Art ergeben sich natürlich Probleme mit ihren Begleitern und Beschützern und im Verlauf der Reise erkennt sie, dass es nicht immer ratsam ist, mit dem Kopf durch die Wand zu wollen, anderen zu vertrauen und doch werden ihr letztendlich sprichwörtlich die Flügel gestutzt.
Ich habe mich lediglich an einer Stelle ertappt, dass ich nicht auf Seras Seite war, aber diese Szene war für die Dramatik einfach unumgänglich und das Resultat wird mit ziemlicher Sicherheit bei dem einen oder anderen Leser für feuchte Augen sorgen.
Nebenbei bemerkt fand ich persönlich das Thema der Seelenverwandten und Seelengefährten (man beachte den Unterschied!) besonders schön.

Das Buch besitzt zwei Erzählperspektiven; die Geschichte der Fearane erleben wir nämlich nicht aus erster Hand, sondern ein freundlicher, zurückgezogen lebender Herr erzählt sie einem jungen Mädchen, die sie für ihn aufschreibt. Allein der Beginn der Geschichte hat etwas märchenhaftes, als das Mädchen aus einem harten Leben herausgeholt wird und sich in der bequemen Welt des Mannes wiederfindet und ihrer geheimen Leidenschaft (nämlich den zu diesem Zeitpunkt weitgehend verschwundenen Fearanen) nachgehen kann … und zwar intensiver, als sie es sich jemals erträumt hat!

Der Großteil des ersten Bandes erzählt von der Reise, und wir können die Gefährten in aller Ruhe kennen- und lieben lernen. Die Hauptfiguren sind sehr gut ausgearbeitet und wenn ich den jeweiligen Namen der Figur lese, habe ich sofort ein Bild und seinen Charakter vor Augen.
Zum Ende hin verändert sich das Szenario dramatisch und ich fühlte mich plötzlich einer Hilf- und Hoffnungslosigkeit ausgesetzt, für die ich die Autorin auch mal ganz leise verflucht habe (sagt es ihr aber bitte nicht!).
Am Ende des ersten Teiles überschlagen sich die Ereignisse und viel besser hätte man das Buch nicht beenden können, denn es öffnen sich viele neue Türen und ich bin sehr gespannt, wie Steffi die Geschichte weitererzählen wird!

Ich mag Steffi Freis Schreibstil sehr, denn sie erzählt die Geschichte um „Die letzte Tiare“ und ihre Weggefährten so lebendig, dass es mir nicht schwerfiel, in die Geschichte hineinzufinden und mich umgehend wohlzufühlen! Wenn ich behaupte, dass „Die letzte Tiare“ leicht zugänglich ist, ist das als großes Kompliment gemeint. Bei „Fantasy“ ist es manchmal schwierig für mich, Zugang zu den Welten zu finden, wenn sie sich auf-Teufel-komm-raus zu sehr von unserer Realität unterscheiden wollen, aber bei allem Einfallsreichtum nimmt Steffi Frei den Leser einfach an die Hand und entführt ihn ohne Anlaufschwierigkeiten in ihre Welt.

Steffi Frei ist als Selfpublisherin für die komplette Gestaltung des Buches (inklusive des Covers) selbst verantwortlich und erbringt mit dem Buch den Beweis, dass Selfpublisher Verlagsautoren in keiner Weise „unterlegen“ sind; sei es von der Geschichte, dem Schreibstil oder der gesamten Aufmachung des Buches.

Persönlich finde die relativ kurzen Kapitel höchst sympathisch, denn das kommt meinen Lesegewohnheiten sehr entgegen und gleichzeitig treibt jedes Kapitel die Geschichte voran. Sei es die Reise der Gruppe oder auch die charakterliche Entwicklung der Figuren.
Sie versteht es, mit den richtigen Worten Gefühle zu wecken und den Leser in die Geschichte hineinzuziehen, bis man glaubt, Fichtennadeln riechen zu können. Nebenbei meistert sie die größte Herausforderung und beherrscht sowohl die leisen Töne der Freundschaft und Liebe als auch die lauten Töne des Kampfes, der Ungerechtigkeit und des Schmerzes (und von allem gibt es reichlich!).

Für alle, die bei den verschiedenen Fearanenvölkern gern mal durcheinanderkommen oder tiefer eintauchen möchten, hat Steffi im Anhang eine Übersicht über die fearanischen Urgattungen eingefügt und eine Landkarte ist auch dabei, auf die ich gern geschaut habe, um den Weg der Gruppe zu verfolgen.

Ich freu mich sehr auf den zweiten Teil, der bereits am 24.11.2020 erscheinen wird und auf den Titel „Feder und Metall“ hört.

[Es handelt sich bei „Meinen Gedanken zu anderen Büchern“ stets um meine rein subjektive Meinung als Leser und ich schreibe sie auf, weil mir danach ist. Das geschieht rein freiwillig.]

Hagen Thiele – Die Pflicht

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Als ich kürzlich durch Die Wortfiliale stöberte, habe ich mir aufgrund des Klappentextes Hagen Thieles Buch „Die Pflicht“ in den Warenkorb gelegt. Ein Blindkauf, wie er im Buche steht, sozusagen. Tja … und ein verdammt lohnenswerter Blindkauf, möchte ich ergänzen.

Sollte Euch mal ein Mensch begegnen, der heutzutage immer noch der irrigen Annahme verfallen ist, dass Selfpublisher minderwertige Bücher auf den Markt werfen, zeigt ihm „Die Pflicht“. Oder haut es ihm um die Moppen. Genau wie etliche andere Kollegen beweist Hagen Thiele nämlich, dass das absoluter Bullshit ist. Eine Auswahl der Bücher, die mich aus den verschiedensten Gründen begeistert haben, findet Ihr auf meine Homepage www.IanCushing.de.

Hagen Thieles Buch ist perfekt layoutet, Fehler gibt es nicht wirklich. Das unglaublich gute Cover und die ansprechende Haptik des Buches runden den professionellen Gesamteindruck ab und mir gefällt es als Ganzes unglaublich gut.

Eine von Hagens Stärken ist, dass er einen unglaublich guten Schreibstil hat. Man gleitet durch seine Zeilen und es macht einfach Spaß, durch sein erzählerisches Können immer weiter in die dunkle Tiefe gezogen zu werden. Selten ist mir ein so gut lesbares Horror-Buch in die Finger geraten!

Puh, was sage ich zu der Geschichte an sich? Am besten gar nicht zu viel, denn das könnte den künftigen Lesern etwas den Spaß an der Sache nehmen.

Wir lernen Erik kennen: Ein Außenseiter wie aus dem Lehrbuch. Aber selbst Außenseiter haben manchmal Glück und er lernt Laura kennen und die beiden verlieben sich. Laura ist ein toller Charakter und ich mag ihre flapsige Art und das Zusammenspiel der beiden Figuren ist wirklich hervorragend gelungen.
Erik ist aber nicht ganz umsonst der Außenseiter, denn er hat jede Nacht eine Pflicht zu erfüllen, die ihn an einem normalen Leben hindert. Wie das bei jungen Menschen so ist, entstehen dadurch natürlich Reibungspunkte und irgendwann eskaliert die Sache.
Das Privatleben der Figuren auf der einen und die düstere Pflicht auf der anderen Seite scheuern aneinander bis es schmerzt und es zur phantastischen Eskalation kommt.

Bereits nach den ersten Seiten drehte sich mein Gedankenkarussell: Wohin steuert die Story?
Geht die Reise in Richtung Lovecraft?
Oder werden wir in einen King’schen Alltag entführt, welcher sich am Ende auf grauenvolle Weise in eine Blutwolke auflöst? (Okay, Eriks Leben ist alles andere als alltäglich, aber ihr versteht sicher, was ich meine.)
Handelt es sich um eine metaphorische Geschichte über Angst und Depression?
Ich weiß es jetzt, aber ich sag es Euch nicht, denn das könnt Ihr selbst erlesen.

Es geht mitunter deftig zur Sache, aber die Gewalt wird nicht zu explizit zelebriert und steht keinesfalls im Vordergrund; die Spannungskurve steigt kontinuierlich, und auch wenn man als Horror-Fan irgendwann vage ahnt, wohin die Reise geht (oder gehen könnte), ist es dank Hagens Stil ein Genuss, sich zum unausweichlichen Höhepunkt treiben zu lassen.

Ich hatte wirklich sehr unterhaltsame Stunden mit „Die Pflicht“, denn ich halte die Mischung aus jugendlichem Beziehungsdrama, äonen-altem Horror und Phantastik für absolut gelungen.
Hagen Thieles Buch ist ein toller Horror-Roman mit glaubhaften Charakteren, unterhaltsamen Dialogen, Spannung, Horror und einem herrlich düsteren Antagonisten (sooo true). Darüberhinaus wird das Buch auch noch unglaublich ansprechend präsentiert und begeistert durch das Können des Autors. Bei einer zukünftigen Shoppingtour durch Die Wortfiliale wird das nächste Buch von Hagen Thiele sehenden Auges in meinen Warenkorb wandern.

Für Leser, die auf der Suche nach guter Horrorlektüre sind, ist „Die Pflicht“ … ahem … Pflicht. (Jaja, fünf Euro in das Phrasenschwein …)

Meine Gedanken zu „Die Pflicht“ von Hagen Thiele findet Ihr ebenfalls bei Lovelybooks: https://www.lovelybooks.de/autor/Hagen-Thiele/Die-Pflicht-2409722050-w/rezension/2739517420/

[Es handelt sich bei „Meinen Gedanken zu anderen Büchern“ stets um meine rein subjektive Meinung als Leser und ich schreibe sie auf, weil mir danach ist. Das geschieht rein freiwillig.]

Virginia Anemona – Ajena und der Wasserperlenbaum

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„Ajena und der Wasserperlenbaum“ von Virginia Anemona beschäftigt sich mit der dunklen Seite des Lebens.

Ein junges Mädchen wird in der Schule von einem aggressiven Mitschüler drangsaliert. Doch ist es nicht nur der abscheuliche Klassenkamerad, sondern auch die Lehrer, die in ihr ein Opfer finden. Manche Menschen sind anders, zarter und feinfühliger und werden oftmals aus diesem Grund ausgewählt, um als Boxsack herzuhalten, damit die Aggressoren die eigenen Unzulänglichkeiten kaschieren und ihre niederen Instinkte wie dem Wunsch nach Dominanz ausleben können.

Menschen, die sich als Freunde ausgeben, sind es nicht und nutzen das naive, scheue und von Selbstzweifeln geplagte Mädchen immer wieder aus, verletzen sie nicht nur körperlich, sondern auch seelisch. Immer und immer wieder.

Aber auch in der Familie läuft nicht alles geradeaus und als ihr Vater sich neu verliebt, wird der Versuch einer polyamorischen Beziehen gestartet. Wie zu erwarten war, scheitert auch dieser Versuch durch den Egoismus der beteiligten Menschen, denn Eifersucht und Besitzansprüche drängen sich schnell in den Vordergrund.

Was macht Ajena? Sie flüchtet. Oder besser: sie rettet sich in ihre Fantasie, ihre Träume, wo sie einen Beschützer findet; Bonsaij lehrt sie zusammen mit Husky und vielen anderen traumhaften Wesen, worauf es wirklich ankommt, und dass sie stärker ist als sie glaubt.

* * * * *

Wir begleiten das Mädchen Ajena auf ihrem Weg durch ihr junges Leben. Durch die kurzen Sätze und die episodenhaft erzählten Geschehnisse, hatte ich den Eindruck, durch eine Art Tagebuch direkt in die Gedanken und Gefühle einzutauchen. Manchmal musste ich aufgrund der mitunter naiv anmutenden Art schmunzeln und an anderer Stelle habe ich es kaum ertragen, die Geschichte zu lesen, denn sie hat mir wirklich Unbehagen bereitet.

Besonders die Schilderung ihrer ersten Schulzeit hat mir aufgrund der Ungerechtigkeit beinahe körperliche Schmerzen bereitet. Ich habe es immer gehasst und werde es immer hassen, wenn auf Schwächeren herumgetrampelt wird, und ich konnte die Ohnmacht förmlich spüren, die die kleine Protagonistin ergriffen hat, wenn sie zum Spielball der niederen Instinkte der Dummen und Kräftigen wurde.

Auch wenn der Altersunterscheid zwischen mir und der Protagonistin recht groß sein dürfte, ist diese Geschichte aufgrund des Settings nicht ausschließlich für jüngere Leser geschrieben worden, denn solche Erfahrungen hat vermutlich jeder einmal gemacht und denkt man nach vielen Jahren daran zurück, reflektiert man automatisch und erkennt, dass einige Erlebnisse aus der Vergangenheit bis in die Gegenwart wirken.

Ein negatives Erlebnis stapelt sich auf das andere auf und die einzelnen Erlebnisse können nicht aufgelöst oder geklärt werden, sondern ihre Seele saugt sich damit voll wie Schwamm. Auch wenn sich im Verlauf der Geschichte durch äußere Umstände – und von außen betrachtet – Besserung einzustellen scheint, steht Ajena sich mit ihrer Angst selbst im Weg. Und besonders treffend nennt Virginia den Teufel beim Namen: Sie entwickelt eine Angst vor ihrer Angst und aufgrund ihrer persönlichen Disposition gerät sie in eine Spirale der Angst, Selbstzweifel und Depression, die letztendlich in Suizidgedanken mündet.

Ajena ist dabei nicht nur ungeliebt; sie ist nicht nur still und passiv. Ihre Eltern lieben sie, sie hat einige gute Freunde und sie steht für andere ein und kann ihre Meinung sagen. Wer sich jetzt wundert, warum das Mädchen dennoch in die seelische Dunkelheit hinabgleitet, hat selbst damit noch keine Erfahrungen machen müssen, denn auch das sind Kennzeichen dieser Krankheit. Man ist nicht permanent „unsichtbar“ oder wird den ganzen Tag schlecht behandelt. Ja, sogar depressive Menschen lachen ab und zu oder haben ein Glänzen in den Augen; doch werden das Lachen und der Glanz meist sehr schnell von der lauernden Dunkelheit erstickt, wenn niemand mehr hinschaut.

Besonders fantasievoll wird es, wenn Ajena (tag)träumt. Doch hat Virginia eine schöne Formulierung dafür gefunden, was ich Fantasie oder Traum nennen würde. „Die andere Realität.“ Eine wunderschöne Formulierung, wie ich finde, denn weiß wirklich jemand von uns, was real ist und was eine Fantasie? Wir wissen heutzutage, dass unsere Gehirne Dinge interpretieren und zwar jedes nach seiner eigenen Art. Wer will mir da erzählen, was Wirklichkeit ist und was Einbildung? Und wenn es Einbildung ist, wir aber dadurch etwas fühlen und Emotionen entstehen, wie kann es dann nicht real sein?

Ihre andere Realität wird parallel erzählt und ist eine Geschichte in der Geschichte. Eine Geschichte, die sowohl düster sein kann, aber gleichzeitig auch bunt und Hoffnung, Kraft beinhaltet. Die Wesen, die sie trifft (und die sogar eine eigene Sprache sprechen), sind hilfsbereit, stellen sie aber immer wieder vor Aufgaben, bei denen sie ihre Ängste überwinden muss und viel über sich lernt. Vor allem, dass ihre Existenz nicht sinnlos ist, und sie viel mehr Kraft in sich trägt als sie glaubt. Irgendwann verschmelzen die Realitäten immer mehr. Letztendlich kommt es zu einem dramatischen Kampf, der im wahrsten Sinne über Leben und Tod entscheidet.

Virgina Anemona schafft es, einerseits kurz und prägnant zu schreiben und andererseits poetische Sätze für ihr Gefühlsleben zu finden.

Die Sätze sind kurz und die meisten Geschehnisse und Gedanken werden selten vertieft und gerade sind es die Gedanken und Fragen der Protagonistin, die so viele Möglichkeiten bieten, sich selbst und sein Leben zu hinterfragen. Daher schätze ich die Umsetzung sehr, denn Virginia Anemona zwingt uns nicht ihre Sichtweise auf, sondern rückt einige Gedanken in den Fokus, über die sich nachzudenken lohnt: Zeit, Realität und was der Mensch sich daraus für einen Käfig gebaut hat, und natürlich das menschliche Verhalten an sich, und sie lässt uns unsere eigenen Antworten suchen. Manchmal ist es nur ein (Neben-)Satz, der mich zum nachdenken gebracht hat.

Der Teil in der „anderen Realität“ unterscheidet sich von den nüchternen Schilderungen in „unserer Realität“ sehr und der Einfallsreichtum und die fantasievolle Welt und die Wesen wecken schon beinahe den Wunsch, einen Fantasyroman von ihr zu lesen.

„Ajena und der Wasserperlenbaum“ wirkt nach und hat eine Kraft, die heutzutage selten ist. Die Kraft, sich mit seinen Schwächen und mit sich selbst auseinanderzusetzen, sich selbst zu reflektieren und durch die Erkenntnisse anderen Menschen Licht zu sein, auch wenn man selbst in der Dunkelheit wandelt.

Das Ende der Geschichte ist ihr unglaublich gut geraten und ich hatte eine Gänsehaut beim Lesen. Ich werde hier jetzt nicht darüber reden, denn das solltet ihr selbst lesen, aber für mich persönlich ist es das perfekte Ende mit der einzig möglichen Aussage. Da stehen Virginia und ich uns mit unserer Sicht auf das Thema sehr nahe.

Virginia Anemona hat auch noch ein extrem bemerkenswertes Nachwort geschrieben, in dem sie sich sowohl an die Opfer, aber auch die Täter wendet. Sie schafft es in dem Nachwort ohne erhobenen Zeigefinger und auf eine extrem empathische Art beide Parteien anzusprechen, und ihr Text bietet beiden Hilfe an. Das ist ein verdammt großartiges Verhalten für jemanden, der viele Jahre ein „Opfer“ war.

„Ajena und der Wasserperlenbaum“ ist ein besonderes und wichtiges Buch, denn auch wenn man sich vollkommen verloren und allein glaubt, ist man nicht der einzige Mensch, dem es so ergeht.

Es ist ein Buch, welches sich an besondere Menschen richtet.
An Menschen, die mit Depressionen leben müssen;
an Menschen, die ihren Wert selbst nicht mehr wahrnehmen, weil sie niemals Wertschätzung erfahren haben;
an Menschen, denen nur gesagt wird, was sie nicht können, aber die niemals für das anerkannt werden, was sie können;
an Menschen, die mehr Kraft brauchen als andere, um zu Leben.

Und davon gibt es leider sehr viele.

Ich ziehe meinen Hut vor so viel Mut und Kreativität!

https://www.lovelybooks.de/autor/Virginia-Anemona/Ajena-und-der-Wasserperlenbaum-1565379280-w/rezension/2699624604/

[Es handelt sich bei „Meinen Gedanken zu anderen Büchern“ stets um meine rein subjektive Meinung als Leser und ich schreibe sie auf, weil mir danach ist. Das geschieht rein freiwillig.]

Leif Inselmann – Asiras

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Bevor auch nur der leise Verdacht einer Gefälligkeitsrezension aufkommen kann, möchte ich nur sagen: Ja, Leif Inselmann ist vom ersten Tag ein Begleiter auf meinem Autorenweg.
Aber wir müssen jetzt mal eine Zeitreise in das Jahr 2018 unternehmen: Bevor ich angefangen habe, selbst Bücher zu veröffentlichen, ahnte ich ja nicht einmal im Ansatz, was im „literarischen Untergrund“ so abgeht. Ich selbst befand mich gerade irgendwo zwischen „Fünf Minuten“ und „In Ewigkeit“ und erinnere mich ziemlich genau, wie ich „Asiras“ lesend im Bett lag und dachte: „Verdammt! Dieses Niveau möchte ich auch gern erreichen!“ Das Buch hat mich also motiviert und gleichzeitig eingeschüchtert, hahaha.

„Asiras“ war also mein allererstes Buch von einem Selfpublisher, welches ich jemals gelesen habe. Der Grund, warum ich nie eine Rezension, oder (wie ich es viel lieber nenne) meine Gedanken dazu aufgeschrieben habe war, dass ich mir damals einfach noch gar nicht klar, dass ich jemals meine Gedanken zu anderen SP-Büchern teilen werde und dann ist es irgendwann untergegangen. Sorry, Leif!

Ganz ehrlich: Einen besseren Einstieg in die Welt der Selfpublisher hätte ich mir persönlich gar nicht wünschen können! Überhaupt ist es sehr schwer, meine Meinung zu diesem Buch aufzuschreiben, denn eigentlich ist mit:
„Phänomenal!
Makellose Umsetzung!
Sehr gute Story!
1+ mit Sternchen!“
alles gesagt.

Okay … nehme ich mir mal „Sehr gute Story“ vor: Was für Lovecraft sein Innsmouth ist, könnte für Leif Inselmann Ödmark sein. Ich liebe H. P. Lovecraft sehr und so tritt Leif natürlich offene Türen ein, doch gerade wenn man etwas liebt, ist man oftmals sehr kritisch. Aber ich finde nichts, was ich nur ansatzweise an der Story kritisieren könnte.

Die Geschichte um den Dämon Asiras, der sich das Dorf Untertan macht, in Gedanken eindringt und Fremde um den Verstand bringt und in der ein „Fischmann“ auftaucht, hätte ohne Zweifel auch eine gute (!) Lovecraftstory sein können. Leif Inselmann spielt mit allen Zutaten, die man braucht und erschafft eine eigene Version des überirdischen Horrors. Die Wesen, wie auch die menschlichen Charaktere, sind toll beschrieben. Der Verlauf der Geschichte wurde packend gestaltet, die Atmosphäre ist sehr dicht und unheimlich und die Flucht durch den Tunnel hat mich vor Spannung beinahe aufrecht im Bett sitzen lassen! Hammer!
In den letzten Tagen habe ich immer wieder in dem Buch geschmökert weiß, dass ich es bald wieder in einem Rutsch lesen möchte.

Ein Grund, warum „Asiras“ von der ersten bis zur letzten Seite hochgradig spannend ist, liegt neben dem großartigen handwerklichen Können Leif Inselmanns wohl auch in der Länge begründet: Auf 168 Seiten konzentriert sich der Autor auf seine Geschichte. Kein Firlefanz, keine zweite, dritte Storyline etc. Nein, er hatte eine Geschichte zu erzählen und die erzählt in der Länge einer Novelle. Perfekt!

Zur „makellosen Umsetzung“ … was soll ich dazu sagen? Der Schreibstil ist anspruchsvoll und vom Sprachniveau ganz weit oben! Man findet Sätze in diesem Buch, die man in dieser Geschliffenheit andernorts kaum findet (da rede ich wohlgemerkt nicht nur von Selfpublishern!) und gleichzeitig ist es unglaublich gut lesbar! Das ist der Punkt, der mich wirklich am meisten beeindruckt hat, denn ich habe das Gefühl, dass jedes Wort an der richtigen Stelle steht.
(Tipp)Fehler oder ähnliches habe ich keine gefunden (und auch nicht gesucht, aber die springen einen ja manchmal an) und zusammen mit dem professionellen Buchsatz komme ich dann zum Fazit: 1+ mit Sternchen.

Und während ich die Zeilen tippe. frage ich mich, warum ich eigentlich nicht viel mehr von Leif Inselmann gelesen habe, zumal er bereits einige Kurzgeschichten in Anthologien, dazu eine eigene Anthologie, eine Horror- und zwei Science Fiction-Novellen geschrieben hat …
Okay, die Antwort ist mein langsames Leseverhalten und der schrecklich hohe SuB, aber wie Ihr seht: Es ist nie zu spät für eine gute Geschichte!

Also von mir gibt es jetzt ein verspätetes: Danke für dieses tolle Buch.

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L. A. Gunn – London’s Lost

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Ein Makel in meinem Leben war immer, dass ich zwar schon vor laaanger Zeit das Buch „London’s Lost“ von L.A. Gunn gelesen, aber aus Zeitgründen keine „Rezension“ geschrieben habe. (Wobei ich eigentlich eher einfach nur meine persönlichen Gedanken zu den Büchern aufschreibe – Rezensionen sind was für Bücherprofis!) Doch diesen Makel werde ich mir nun von der Seele schreiben!

Die Zutaten von „London’s Lost“ sind: Sherlock Holmes und Dr. Watson in den Nebenrollen. Aber wer braucht schon die beiden alten Knacker, wenn er stattdessen zwei junge Damen, die unterschiedlicher nicht sein könnten, als Ermittlerduo in der Hauptrolle haben kann? Dazu gibt es einige unterhaltsame Kriminalfälle, die mit Verstand und Herz gelöst werden und ein großes Geheimnis, welches sich im ersten Teil anbahnt und sich (leider nur) zum Teil offenbart!

Lihla, eine junge Dame aus gutem Hause, dessen Vater bei Scotland Yard ermittelt, und June, ein Mädchen, das auf der Straße lebt, treffen aufeinander. So unterschiedlich die beiden Charaktere auch gezeichnet sind, so sehr ergänzen sie sich auch und was der einen in einer Situation fehlt, macht die andere sofort wieder wett. Der Umgang der beiden Mädchen miteinander ist absolut herzerfrischend, frech und witzig. Da merkt man auch, dass die Autorin großen Spaß gehabt haben muss, als sie sich die Dialoge ausgedacht hat!

Die beiden Mädchen geraten in mehrere Kriminalfälle, die sie mit Mut und Intelligenz lösen können. Die Geschichte erinnert mich an eine große Kiste, in der sich viele kleine Kisten befinden. Nach und nach wird jede Kiste geöffnet, dessen Rätsel gelöst, aber das Geheimnis der großen Kiste offenbart sich nur langsam.
Man merkt beim Lesen ebenfalls schnell, dass die Geschichte und die Charaktere trotz aller Eingängigkeit nicht simpel gestrickt sind, denn jedes Mädchen hat mit der einen oder anderen Bürde zu leben, die für Tiefe sorgt und obendrein ist die Vergangenheit der beiden Mädchen hinter einem Nebel verborgen, den wir erst im Laufe des nächsten Bandes durchdringen werden und außerdem steht ein schrecklicher Verdacht im Raum.
Der monströse Cliffhanger zum Schluss schreit förmlich danach, dass wir die Autorin mindestens wöchentlich mit Bettelbriefen um eine schnelle Fortsetzung bitten sollten!

„Dieses Buch ist ein Herzensprojekt …“ schreibt L. A. Gunn in ihrer Danksagung und das spürt man als Leser. Die Umsetzung des Buches – ich habe noch die Erstausgabe (*) – ist äußerst liebevoll geschehen, auch wenn diese Auflage nicht 100%ig fehlerfrei ist, aber es handelt sich meistens um einfache Tippfehler, die auch jedem professionellen Lektorat durchflutschen können, wie ich leider immer wieder feststellen muss.

Der Buchsatz ist großzügig gestaltet und man fliegt dadurch durch die Seiten, was aber ebenfalls dem ansprechenden Schreibstil der Autorin geschuldet ist, die auf unterhaltsame Art durch die 260 Seiten lange Geschichte führt.

Die Erstauflage von „London’s Lost“

Was mich besonders an diesem Buch anspricht ist, dass es für meine Begriffe herrllich oldschool ist. Oldschool im Sinne eines Sir Arthur Conan Doyle, zum Beispiel. Es orientiert sich an den Klassikern, aber – und das ist ganz wichtig – ist dabei auch frisch und frech! Ich kann mir sogar vorstellen, dass dieses Buch für junge Leser eine Einstiegsdroge in die Welt des Sir Arthur Conan Doyle darstellen könnte, denn es ist – sicherlich wegen des jugendlichen Alters der Protagonisten – sehr gut für jugendliche Leser geeignet, wobei manche Szenen auch herrlich düster sind. Aber wenn der Hauptlesestoff der Teenies heutzutage Liebesgeschichten zwischen Vampiren, Werwölfen oder was-weiß-ich ist, wird sie die Dunkelheit in den Gassen des East Ends nicht allzu sehr aus der Bahn werfen.

Als passionierter Sherlock Holmes-Leser und Die drei Fragezeichen-Hörer, ist es für mich ein Genuss, Bücher dieser Art zu lesen und wer, wie ich auch, Kriminalfälle im Stile von Sherlock Holmes oder Die drei Fragezeichen liebt, darf bei „London’s Lost“ von L. A. Gunn getrost zuschlagen.

(*) Schlechtes Timing ist voll mein Ding, denn wie die Autorin mir jüngst verraten hat, ist aktuell eine komplett überarbeitete Version der Geschichte in Arbeit, in der die angesprochenen Tippfehler eliminiert wurden und auch an der Geschichte etwas justiert wurde.
Also: Rennt ausnahmsweise nicht gleich los (auch wenn ich es der Autorin von Herzen wünschen würde!), sondern notiert Euch diesen Titel auf der Wunschliste und schenkt ihm Eure Aufmerksamkeit, wenn Lihla und June in neuem Gewand erscheinen! Ich freu mich jedenfalls auf die Überarbeitung und die großartige Aussicht, dass an Teil zwei geschrieben wird!

[Es handelt sich bei „Meinen Gedanken zu anderen Büchern“ stets um meine rein subjektive Meinung als Leser und ich schreibe sie auf, weil mir danach ist. Das geschieht rein freiwillig.]

Dominik A. Meier – Doppelwelt

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Willkommen in der Doppelwelt

Es gibt Selfpublisher, deren Namen mir häufig begegnen und die sich in meinem Kopf bereits als „Marke“ etabliert haben, bevor ich auch nur einen Satz von ihnen gelesen habe. Was lag da also näher, dass ich mir endlich mal ein Buch von Dominik A. Meier besorge?
Da ich persönlich nicht zwingend ein „Reihenfan“ bin, habe ich mir Doppelwelt ausgesucht und das war eine gute Entscheidung.

Die Idee zur Geschichte ist hervorragend: Der Atomunfall von Tschernobyl öffnet ein Tor in eine Parallelwelt, genannt die Doppelwelt. Dort gab es zwar auch den GAU, aber ansonsten hatte sich diese Welt anders entwickelt, als in der „normalen“. Dieser Ansatz ist extrem spannend, wird aber (leider) nur am Rande behandelt. Aber es gibt ja Bücher und TV-Serien, die sich mit alternativen Geschichtsverläufen beschäftigen, wenn man Interesse hat … 

Die kranke Anastasija zieht sich in die Sperrzone von Prypjat zurück, um in Ruhe zu sterben. Allerdings hat sie die Rechnung ohne das Schicksal gemacht, denn aufgrund einer Genanomalie ist sie der einzige Mensch, der das Tor zur Doppelwelt öffnen und mit den „Wanderern“ genannten Wesen kommunizieren kann. Zwischen den beiden Welten existiert allerdings noch die feindliche „Zwischenwelt“, die die Reisenden abfängt und ihnen das Leben schwer und Sterben leicht macht. 

Auf ihren Reisen begegnet Anastasija verschiedenen Menschen, sie findet Freunde, Liebe und Zuneigung, wo sie nichts anderes als den Tod erwartet und gesucht hatte. Leider wird sie auch von Menschen enttäuscht und es ist beinahe herzzerreißend, wie sehr sie darunter leidet, wenn sie das innere Wesen eines Menschen erkennt, dieser sich aber einem unmenschlichen System unterordnet, ohne der Mensch zu sein, der er sein will. Doch gleichzeitig verweigert sie auch Vergebung und kann hart gegen diesen Menschen sein. Geschickt wird in der Doppelwelt mit Hoffnung und Enttäuschung, Mut und Resignation gespielt.

Mit ihrer Art geht Anastasija, genannt „Schwalbe“, ihren Weggefährten gerne mal auf die Nerven. Ihre Stimmungsschwankungen haben auch mich manchmal mit den Augen rollen lassen, denn zwischen „selbstmitleidig in der Ecke hocken“ und „das Leben für die Lieben riskieren“ liegen manches Mal nur zwei Zeilen. Sie verkörpert auch perfekt den Typus des starken Menschen, der sich selbst für schwach hält und der mit Hilfe ihrer Freunde jedes Mal über sich hinauswächst.
Aber mag ich die Protagonistin, denn sie ist eine sensible Seele und ein guter Mensch. Und da gute Menschen nun mal häufiger an sich und der Welt zweifeln, als die Idioten der Welt, bin ich ganz auf ihrer Seite. 

Der Fokus der Geschichte liegt natürlich auf der Protagonistin und auch wenn vielleicht ein oder zwei Mal zu oft ähnliche innere Vorgänge ausführlich beschrieben werden und einem manche Unterhaltungen irgendwann bekannt vorkommen, liegt es an Dominik A. Meiers Schreibstil, dass ich es dennoch durchweg genießen konnte.

Ich mag das Setting und die Gedanken, die Dominik A. Meier in mir beim Lesen der Geschichte auslöst. Besonders schön fand ich die Begegnung mit den Wanderern. Ohne zu viel von der Story zu verraten: andersartige Wesen, die nicht aus unserer Welt stammen, ängstigen die Menschen und man sieht sie als Feind; doch ist nichts, wie es scheint. Die Menschen sind den Wesen genau so fremd und sie wollen von uns lernen … aber was lernt man schon von den Menschen? 

Dominik A. Meier hat ein packendes Mystery-Drama erschaffen, das sich gekonnt aus Fakt und Fiktion zusammensetzt und Fragen des Lebens aufwirft, die ich nach der abendlichen Lektüre durchaus nachklingen lassen habe.
Sein Schreibstil trifft meinen Nerv und ich habe mich jeden Abend darauf gefreut, in die Doppelwelt zu reisen und das ist für mich immer ein Indikator, dass es ein (für mich) gutes Buch ist. 

Dominik ist Selfpublisher und in der breiten Masse gibt es oftmals noch immer Ressentiments dieser noblen Gattung gegenüber. Auf den Sinn und Unsinn dieser These gehe ich jetzt nicht weiter ein, denn würden sich diese Leute Doppelwelt anschauen, würden sie sehen, wie perfekt man ein Buch als Selfpublisher umsetzen kann. Die Geschichte ist packend, unterhaltsam und regt zum Nachdenken über die menschliche Natur an; mir sind in dem gesamten Buch ein oder zwei Vertipper aufgefallen und damit erreicht Dominik definitiv Verlagsstandard. Dazu kommt noch der gut lesbare Buchsatz, ein professionelles Cover und fertig ist ein Buch, welches mich nicht nur inhaltlich zu überzeugen weiß. Die Umsetzung ist also in meinen Augen absolut makellos und es sollte mich wundern, wenn es das letzte Buch gewesen sein soll, welches ich von ihm gelesen habe. 

Einsteigern in die Welten von Dominik A. Meier kann ich Doppelwelt also definitiv empfehlen.

[Es handelt sich bei „Meinen Gedanken zu anderen Büchern“ stets um meine rein subjektive Meinung als Leser und ich schreibe sie auf, weil mir danach ist. Das geschieht rein freiwillig.]

Paola Baldin – Fremde Heimat

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Da ich diese Rezension nicht bei Lovelybooks hochladen kann, schicke ich ausnahmsweise mal den Klappentext vorweg:
Ist Heimat der Ort, an dem man aufgewachsen ist? Oder liegt sie doch im Klang des plätschernden Wassers, dem Glanz der Sterne oder gar im Herzschlag eines geliebten Menschen, dem man erst noch begegnet?
Wage einen Blick in die Zukunft.
Lass dich entführen in 13 Kurzgeschichten, Poesie- und Lyriktexte über Menschen und Androiden, die in dystopischen Welten, bewohnten Raumstationen, Portalen und Marskuppeln leben und die allesamt eines verbindet: Die Sehnsucht nach der Geborgenheit eines Heims, das manchmal im Fremden weilt.

Paola Baldin hat vor Kurzem ihren Kurzgeschichtenband namens „Fremde Heimat“ veröffentlicht. Es war klar, dass ich, nach der Lektüre ihrer vorangegangenen Veröffentlichungen „Bionic Soul“ und „Die Blüten meiner Schuld„, auch dieses Buch lesen muss und ich bin nicht enttäuscht wurden.

Die Autorin hat das Buch unterteilt in Kurzgeschichten, Poesiegeschichten und Lyrik.
Ich finde es schön, dass die Kurzgeschichten, mit Ausnahme von „Die Heimat unserer Träume“ (aber dazu gleich mehr) durch einen roten Faden – oder auch mehreren roten Fäden – zusammengehalten werden.
Heimat und Verlust sind die vorherrschenden Themen und wer die Bücher von Paola Baldin kennt, weiß, dass das alles andere als ein Spaziergang über blühende Wiesen werden wird.

Es sind mitunter sehr traurige Geschichten, die erzählt werden; aber genau wie ich es mag, schwingt gleich in der ersten Geschichte „Fremde Heimat“ auch eine Hoffnung mit. Zart und leise gelingt es der Hoffnung, die Schicksalsschläge erträglicher zu machen. In jeder Dunkelheit lebt auch ein Licht.

In „Bacterium ignitum“ verschlingt ein Feuerbakterium die Welt, wie man sie kennt, und es gelingt die Flucht auf eine Raumstation, in der sich die Protagonistin sogar mit ihrer geliebten Familie vereinen kann. Happy End? Ratet mal …

Mechanic Heart, My Home“ ist am deutlichsten von „Bionic Soul“ inspiriert und erzählt eine warme, wundervolle Geschichte von Liebe und Menschlichkeit … bis es zu einem großen Unglück kommt. Wer „Bionic Soul“ verschlungen hat, wird hier einen perfekten Ansatz finden, um tiefer in Paolas Science Fiction-Universum zu reisen.

In „Heimkehr“ findet das „Bacterium ignitum“ seinen Widerhall; allerdings wird das Szenario, welches wir in der gleichnamigen Geschichte erleben durften, um eine zweite Tragödie persönlicher Natur erweitert und wir werden mit der Frage konfrontiert, was schlimmer ist: Eine natürliche Katastrophe, die die Erde in die Knie zwingt oder eine persönliche Katastrophe, in der Menschen durch selbstsüchtiges Verhalten im Herzen so sehr verletzt werden, dass man daran zu zerbrechen droht? Mit den veränderten Umweltbedingungen haben sich die Bewohner arrangiert, aber ertragen sie auch die persönliche Tragödie? Wie viel Zeit hat man, um sich einen Fehler einzugestehen und die ausgestreckte Hand zu ergreifen, bevor es zu spät ist?

Etwas aus dem Rahmen fällt „Die Heimat unserer Träume„, denn wir befinden uns nicht in den Weiten des Weltraums, sondern im Wald und in Träumen und es ist keine klassische Science Fiction-Story, sondern eher im Mystery-Bereich anzusiedeln. Ich durfte die Geschichte bereits vorab lesen und sie hatte mich sehr begeistert, denn ganz besonders mag ich, dass diese Geschichte – meines Erachtens – einen Bogen zu „Die Blüten meiner Schuld“ schlägt; ein Buch, welches ich euch sehr ans Herz legen muss!

Die Poesiegeschichten und die Lyrik sind ebenfalls wunderbar, aber machen auch deutlich, dass die Geschichten und Gedanken überwiegend düster sind. Verlassen sein, Einsamkeit, Hoffnung, Sehnsucht und Verzweiflung geben sich ein Stelldichein. Durch die Kürze der Poesiegeschichten und lyrischen Texte wird der Leser mit Wucht mit einem Gedanken / einer Situation konfrontiert und gleichzeitig in die Szene hineingesaugt, woraufhin er sich unweigerlich seine Gedanken macht. Ihre Gedanken stoßen unzweifelhaft die eigenen an. Chapeau!

Bisher haben mich Paola Baldins Bücher nicht nur wegen der Geschichten und ihres Stils, sondern auch durch ihr Layout begeistert und auch „Fremde Heimat“ macht da keine Ausnahme. Ein wundervoll stimmiges Cover macht da nur den Anfang, denn Paola arbeitet mit ganzseitigen Fotos, die mitunter herrlich surreal wirken. Durch die zu den Rändern hin dunkelgrau auslaufenden Seiten, ergibt sich ein dunkelgrauer Buchschnitt, was ich als sehr gelungen betrachte. Auch der Buchsatz an sich ist schön gewählt, und man fliegt ungehindert durch ihre Zeilen.

Erhältlich ist „Fremde Heimat“ ausschließlich als Taschenbuch bei Paola Baldin persönlich und auch ein eBook sucht ihr vergeblich, was der schönen Präsentation meines Erachtens auch entgegenstehen würde.

Genau wie die vorangegangenen Bücher kann ich „Fremde Heimat“ nur empfehlen, denn Paola Baldin ist eine hervorragende Selfpublisherin mit einem ganz eigenen Stil. Und genau darauf kommt es mir persönlich bei Selfpublishern an. Wenn ich glattgebügelten Mainstream lesen will (was ich auch manchmal sehr gern mache), greife ich zu den Bestsellerlisten; aber wenn ich Individualität, die nicht ihrer Ecken, Kanten und persönlichen Note beraubt wurde, lesen möchte, bin ich in dem Selfpublisher-Universum gut aufgehoben und habe dort, auch unter anderem dank Paola Baldin, eine Heimat gefunden.

[Es handelt sich bei „Meinen Gedanken zu anderen Büchern“ stets um meine rein subjektive Meinung als Leser und ich schreibe sie auf, weil mir danach ist. Das geschieht rein freiwillig.]

Ilona Arfaoui – Der Hexenmeister, die Macht und die Finsternis

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KurzmeinungIch betrachte das Buch als ein wunderbar inszeniertes Puzzlespiel und denke, dass „episch im Quadrat“ dem Buch halbwegs zur Ehre gereicht.Episch im Quadrat

Nachdem ich Ilona Arfaouis Roman „Der König der Schatten“ gelesen hatte, war klar, dass ich auch „Der Hexenmeister, die Macht und die Finsternis“ lesen muss. Was ich offensichtlich getan habe, denn nun möchte ich euch an meinen Gedanken zu dem Buch teilhaben lassen. Und wie immer gilt: das ist meine rein subjektive Meinung. 

Zuerst: dicke Bücher schüchtern mich ein. Aber sowas von. Aber auch wenn ich aufgrund meines individuellen Leseverhaltens gute drei Monate für den Hexenmeister benötigt habe, war es jede Minute wert! Ich hatte „Der König der Schatten“ bereits als episch bezeichnet, aber was soll ich denn dann zu „Der Hexenmeister, die Macht und die Finsternis“ sagen? Ich denke, dass „episch im Quadrat“ dem Buch halbwegs zur Ehre gereicht.

Ilona Arfaoui schickt den Leser durch die Jahrhunderte, zieht ihn in die Vergangenheit und wieder zurück und eröffnet ihm Dimensionen, die er niemals kennenlernen möchte. Das „Draußen“, in dem sich die „gefallenen“ Magier nach ihrem Tod wiederfinden, ist ein beklemmender, erschreckender Ort, dessen Hoffnungslosigkeit spürbar ist.
Vielleicht ist es mit der christlichen „Hölle“ vergleichbar, auch wenn Draußen die Möglichkeit besteht, dass die Magier, wenn sie genug Macht erlangt haben oder ihnen dieses Geschenk zuteilwird, einen neuen menschlichen Körper erhalten und zurück auf die Erde dürfen. Doch ich habe mir oft gedacht: Wer will das schon? Die jahrhundertealte Schuld, der Hass, die Intrigen werden niemals auf null gesetzt, sondern früher oder später wird jeder wiedergekehrte Magier sich seiner Vorleben bewusst und auch die Familienbande bleiben (überwiegend) dieselben. In der Familie der Duncans ist das kein Geschenk, das kann ich euch verraten. 

Was bei „Der König der Schatten“ eher angedeutet wurde, entfaltet sich beim Hexenmeister zu dem zentralen Thema. Die Familienbande, Intrigen, der Hass, die Schuld und die Verzweiflung. Geheimnisse, die jeder aus Angst für sich selbst bewahrt und die die Seele vergiften. Hass, der so groß und tief ist, obwohl er einer aufrichtigen Liebe entspringt und scheinbar nie wieder umgekehrt werden kann. 

Ich betrachte das Buch als ein wunderbar inszeniertes Puzzlespiel.
Besonders gelungen ist die Art und Weise, wie der Leser verschiedene (dramatische) Situationen in den verschiedenen Leben der Protagonisten immer wieder aus anderen Perspektiven erlebt und sich ganz langsam ein Bild ergibt, mit dem man nicht gerechnet hatte. Ein schönes Beispiel ist Guy Macenays (alias Cahal aus „Der König der Schatten“) Zeit im Kerker. Die Szene aus verschiedenen Perspektiven zu erleben und zu sehen, welche Emotionen, Gefühle und Gedanken den jeweiligen Protagonisten umtreiben, war für mich sehr intensiv! Die (meisten) Magier im Orden haben tonnenweise Schuld auf sich geladen und doch ist die Sicht- und Erzählweise entscheidend, ob man mit Guy mitfühlt oder ihn ins Niemandsland wünscht (und beides werdet ihr gegen euren Willen tun!) und genau darin liegt eine der besonderen Stärken des Buchs!
Ich persönlich sehe mich und meine Ansicht bestätigt, dass nicht nur eine einzelne, allgemeingültige Wahrheit im Leben existiert, sondern jeder spezielle Gründe für sein Handeln hat, die ihn zu bestimmten Taten treiben; unabhängig davon, ob diese Gründe redlich sind oder andere diese Gründe nachvollziehen können. 

Grandios ist es Ilona Arfaoui gelungen, auch historische Personen und Ereignisse in ihr Buch aufzunehmen und mit ihrer Fiktion zu vereinen. In Gilles de Rais hat Ilona eine perfekte historische Figur gefunden, denn die widerwärtigen Taten loten die Abgründe der menschlichen Seele extrem aus und sind wirklich nicht leicht verdaulich. Tja, und dann ist dieser Gilles de Rais dazu verdammt, immer und immer wieder und unendlich mit dem Wissen seiner Taten zu existieren, was in meinen Augen eine akzeptable Strafe darstellen würde, wäre er nicht so ein unangenehmer Zeitgenosse für seine Umgebung. 

Wundervoll fand ich auch den Teil, in dem Lawrence Duncan seinem Sohn über die Geschehnisse berichtet, die wir in „Der König der Schatten“ en detail erleben durften, denn es entstanden sofort die Bilder im Kopf, die ich beim Lesen des Buches hatte. Das war wirklich gelungen und ich wunder mich nicht, dass Ilona gerade diesen Teil genommen hat, um ihn ausführlich zu erzählen. Durch „Der Hexenmeister, die Macht und die Finsternis“ werden auch hier Geschehnisse vertieft und die Beweggründe der einzelnen Personen deutlich. 

Ilonas Stil ist toll und ich bin jeden Abend tief in den Welten und der Geschichte versunken. Sie schreibt großartig und findet immer die richtigen Worte, um dich zu schockieren oder zum Staunen oder gar zum Lachen zu bringen. Bereits der Anfang des Buches, in dem wir den Duncans auf „Terra Finis“ (in den Jahren 1917 bis 1923) begegnen, ist so intensiv und düster, dass er perfekt auf den Rest des Buches einstimmt.  

Ich gebe aber auch zu, dass ich an manchen Stellen teilweise den Faden verloren habe, wenn sich mir nicht auf den ersten Blick zum Beispiel die Zeit erschlossen hatte, in der sich der Geschichte fortsetzte. Ab und an springt man von einem Satz auf den anderen zwischen dem Draußen und der realen Welt und in den Zeiten und das war für mich mitunter herausfordernd. Auch die verschiedenen Namen der Personen, und besonders, wenn nur deren „politischen“ Bezeichnungen benutzt wurden, verwirrten mich. Dank Ilona finden wir aber ein Glossar im Anhang, in dem ich immer wieder geblättert habe, um mich schnell wieder in die Spur zu bringen. Aber das sind (aus meiner Sicht) die einzigen Makel, den ich in diesem epischen Werk finden konnte und das darf man getrost als „Jammern auf hohem Niveau“ verbuchen und ist sicher meinen sonstigen Lesegewohnheiten oder auch kognitiven Fähigkeiten geschuldet. 

Wie auch in „Der König der Schatten“ liegt mit „Der Hexenmeister, die Macht und die Finsternis“ ein „Phantastischer Roman“ vor, der aber nicht in die Klischeefalle der typischen Fantasyliteratur tappt und in dem es wieder keine Drachen, Einhörner und funkensprühende Zauberstäbe gibt. Nimmt man sich bestimmte Aspekte der Geschichte und beschäftigt sich mit ihnen, ist es vielmehr eine Allegorie auf das Leben und menschliches Verhalten. Ganz großes Kino, meine Freunde!

Ich bin mehr als glücklich, dass Ilona Arfaoui im Moment an einem neuen Roman schreibt, der die Geschichte fortführen wird und ich weiß, dass ich ihn mir definitiv holen werde, denn die Geschichten von Ilona sind anders und besonders. 

Fazit: Ein großartiges Epos, welches uns durch Zeit und Raum katapultiert. 

https://www.lovelybooks.de/autor/Ilona-Sonja-Arfaoui/Der-Hexenmeister-die-Macht-und-die-Finsternis-1283449285-w/

[Es handelt sich bei „Meinen Gedanken zu anderen Büchern“ stets um meine rein subjektive Meinung als Leser und ich schreibe sie auf, weil mir danach ist. Das geschieht rein freiwillig.]