23.08.2020 – Virginia Anemona

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Wenn eine Geschichte es schafft, einen Pfad tief in die eigene Seele zu finden, sodass man immer wieder an das Gelesene denken muss, dann muss es in meinen Augen eine gute Geschichte sein. Und so ging es mir bei dem Buch ~In Ewigkeit~ von Ian Cushing. Nachdem ich es zuende gelesen hatte, sagte ich: „Wow. Einfach wow.“ Und ich meinte es auch so. Eine Weile wusste ich gar nicht wohin mit all den Gedanken, die mir durch den Kopf jagten. Dann habe ich mit meinem Partner ziemlich lange darüber geredet. Es hat mich echt sehr beschäftigt, begeistert und auch schockiert.

Mir ist aufgefallen, dass mich bisher kein Buch auf diese Weise berühren konnte. Berührt haben mich glücklicherweise schon einige Bücher, aber nicht so, nicht auf diese Art. Warum? Weil es sich so angefühlt hat, als würde ich mit jemandem im Raum sein, der so denkt wie ich und dadurch habe ich mich sehr zugehörig gefühlt. Gebannt habe ich den Gedanken des Mannes gelauscht, um den es im Buch geht. Auf eine ungeschönte, unfassbar ehrliche und kaum gesehene Art hat er sich Gedanken über die Missstände des Systems und des Lebens an sich gemacht. Zum Beispiel über die Absurdität dessen, dass die einzige Gewissheit im Leben die ist, dass wir am Ende alle sterben.
Was zählt im Leben wahrhaftig und was kratzt lediglich an der Oberfläche?
Sollte man sein lebenlang wirklich nur arbeiten und die Bedürfnisse anderer erfüllen, bis man stirbt?
Und dauernd Party zu machen, bedeutet das wiederum Erfüllung? Oder ist auch das eigentlich lächerlich? Hat überhaupt irgendwas einen Sinn? Warum sind wir hier, was soll das alles?
All die Gedanken und auch Ängste konnte ich so gut verstehen. Manchmal dachte ich schon, Ian hat sich in meinen Kopf gebeamt und alles dort abgeschrieben.
Scherz, aber manchmal fühlte es sich wirklich so an. Das zeigt wohl, wie sehr ich mich in den Protagonisten hineinversetzen konnte.

Doch irgendwann schwankte die komplette Gefühlswelt und der Mann hat etwas getan, was Zweifel in mir hervorrief. Zweifel, ob er sich noch im Griff hat oder ob er die Kontrolle verliert. Natürlich verrate ich euch nicht, um was es dabei geht, doch es wühlte mich auf und ich überlegte, ob ich in seiner Lage wohl auch dazu fähig wäre.
Schließlich zog die totale Dunkelheit ein und der Mann betrat einen Weg, den ich als falsch empfinde. Die tiefgründigen Gedanken begannen in ein Extrem zu stürzen, mit dem ich mich nicht mehr identifizieren konnte. Das war krass, zumal ich mich ihm zuvor doch so nahe fühlte und es war natürlich schade. Es hat jedoch die vorhergehenden Gedankengänge nicht minder wertvoll gemacht.

Für mich ist das eine Geschichte über einen Mann, der derart tiefsinnig denkt, dass man wahrscheinlich Kopfweh davon bekäme, wenn man nicht selbst zu dieser Tiefdenker-Sparte gehören würde. Doch wer sehr tief denkt, läuft Gefahr, alles zu zerdenken und von dem Gedankentornado fortgefegt zu werden. So erschien es mir hier jedenfalls. Der Mann oder besser seine eigentliche Persönlichkeit wurde fortgespült, weil die Schwere des Lebens ihn erdrückte.
Ich kann euch nicht sonderlich viel mehr verraten, denn ich will euch nicht spoilern.

Es ist ein Buch komplett abseits des Mainstreams und nichts für Leute, die seichte Unterhaltung von einem Buch erwarten. Wer jedoch emotional gepackt werden möchte und bereit ist, sich in die spezielle Gefühlswelt eines Tiefdenkers zu begeben, ist hier richtig. Ein Buch über Leben, Tod, Jenseits, Liebe, Verlust, Freundschaft, Verzweiflung und ein schmaler Grat zwischen Genialität und Irrsinn.

Das wunderschöne und aussagekräftige Cover spiegelt das alles eigentlich auch schon sehr gut wieder.

Ian Cushing schreibt einfach fantastisch und beherrscht es, mit Worten umzugehen. Auch dieses Werk bekommt nach „die Träne der Zauberschen“ fünf Whiskygläser.

Ich hoffe auf ganz viele weitere Bücher dieses wunderbaren Autors.