Der Erlöser – Leseprobe

Die ersten 663 Wörter aus der Kurzgeschichte „Der Erlöser“; erschienen in der Anthologie „Zombie Zone Germany: Der Beginn“ im Amrûn Verlag.

Was für eine Scheiße. Was für eine gottverdammte Scheiße. Ob Gott etwas mit der verdammten Scheiße zu tun hat, die hier in den letzten Wochen abgeht? Ich habe keine Ahnung! Und falls doch, dann höchstens dahingehend, dass er von der Menschheit, seiner glorreichen Krone der Schöpfung, die Schnauze so gestrichen voll hat, dass er sich entschied, den Laden ein für alle Mal zuzumachen.
Wer kann es ihm verübeln? Ich garantiert nicht. Menschen waren, meiner bescheidenen Meinung nach, schon immer der Fehler im System.
Denkt bitte nicht, dass ich irgend so ein Okö-Hippie bin, der die Natur preist und mit Bäumen kuschelt. Fickt die Bäume. Fickt einfach alles. Ich bin auf der Welt, weil … woher soll ich das wissen? Ich bin hier und Feierabend. Ich hab’s mir nicht ausgesucht, ich wurde nicht gefragt. Also habe ich getan, was zu tun war. Arbeiten, saufen, gelegentlich mal ficken.

Es hat mich immer gewundert, dass eine latente »Mir-doch-scheißegal«-Haltung für die Ladys einen gewissen Reiz hatte, aber wahrscheinlich wussten sie, dass ich nicht am nächsten Tag mit Blümchen vor ihrer Tür stehen oder ihnen mit einer Wandergitarre ein Ständchen unter ihrem Schlafzimmerfenster bringen würde.
Alex, der alte Droog, würde da von dem simplen Rein-Raus-Spielchen sprechen. Alex ist nicht mein Kumpel, denn ich rede hier von einer Figur aus einem Buch, ihr unbelesenen, smartphonesüchtigen Maden. Lesen. Kennt ihr das noch? Und damit meine ich nicht eure schwachsinnigen Facebook-Beiträge. Das ist kein Lesen.
Bücher! Dafür musste man Bäume töten, zerhäckseln und in einer Pampe zu Papier verarbeiten! Fickt die Bäume. Habe ich das schon gesagt? Egal. Ich wiederhole mich oft, das weiß ich, aber so stelle ich sicher, dass ihr es auch schnallt. Listen and repeat. Und falls euch das nicht passt: Fickt euch.
Alex lebte in einer Zukunftsvision eines Schriftstellers. In den alten Tagen war das spannend zu lesen und mittlerweile, im Jahre 2020, auch gar nicht mehr so weit von der Realität entfernt, aber die Zukunft hat vor einigen Monaten begonnen, und die Vision dieses Schriftstellers ist heute noch bestenfalls so aufregend wie ein Kaffeekränzchen mit deiner demenzkranken Tante Uschi und ihrer toten Katze.

Tot. Gutes Stichwort. Die Welt ist tot. Naja, noch nicht ganz, aber sie ist auf dem besten Wege dahin. Was genau geschehen ist? Das wollt ihr gerne wissen, oder? Ich auch. Aber ich kann es euch nicht verraten, denn eines schönen Tages, es war ein Sonntag, falls euch dieses Detail interessiert, ging das Licht aus. Das Fernsehen, das Internet, meine Kaffeemaschine (ich liebe meine Kaffeemaschine abgöttisch) waren von einer Sekunde auf die nächste tot wie die Katze von Tante Uschi.

Muschi, ich nenne die Katze einfach mal so, weil ich mir ihren Namen nie gemerkt habe, war aber schon vorher tot. Vor Jahren ist sie unter die Reifen eines Busses gekommen und nachdem das tonnenschwere Ding sie überrollt hatte, klebte ein breiter Fladen Katzengehacktes auf dem Asphalt. Tante Uschi hat so laut und lange gekreischt, dass ich dachte, ihr Schädel explodiert. Ist er aber nicht. Ich habe den Katzenbrei dann, freundlich wie ich bin, mit einer Schneeschaufel von der Straße gekratzt und in eine Plastiktüte geschüttet.
Ich erinnere mich daran, wie mich das einzig an dem Sehnerv baumelnde Auge angestarrt hatte, und wer jetzt denkt, dass es mich klagend, fragend, traurig oder sonst wie anstarrte … nein. Es sah mich tot an. Einfach nur tot. All things must come to an end, und Muschi hatte ihr Ende ziemlich eindeutig erreicht. Ich war nur froh, dass ich die Pampe vor dem Dönerkoch entdeckt hatte; wer weiß, was mir oder einem von euch sonst an dem Abend zwischen dem Fladenbrot entgegengeglotzt hätte.
Ich habe, und nun bitte ich die gewissenhaften Mülltrenner unter euch die folgende Zeile zu überspringen, die Katzensuppe mitsamt Plastiktüte in die Biomülltonne gestopft. Ich weiß, dass Plastiktüten nichts im Biomüll zu suchen haben, aber wisst ihr was? Genau! Fickt die Mülltrennung.
Würdet ihr sehen, was ich gerade sehe, wenn ich aus dem Fenster der Wohnung im achten Stock schaue, wäre Mülltrennung eure kleinste Sorge.