Markus Heitkamp (Hrsg.) – German Kaiju / Operation M.E.L.B.A. / VerDAMNt!

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Willkommen in der Welt des »German Kaiju«!
»Wo bitteschön?«, denkt ihr vielleicht. Vielleicht auch nicht. Für die, denen der Begriff nichts sagt, fange ich mal vorne an.
»Kaiju« ist ein japanisches Wort für »seltsame Bestie«. Japan, Bestie? Na … jetzt sollte es klingeln, oder? Wenn ich den folgenden Namen nenne, werdet ihr euch alle mit der flachen Hand an die Stirn klatschen und sagen: »Warum sagst du das nicht gleich?«
Godzilla. (Klatsch – Ich kann es förmlich hören.)
Godzilla dürfte der berühmteste Vertreter des Genres sein. Zusammen mit Mothra (’ne Motte) oder Gamera (was sowas wie eine Schildkröte darstellt). Und auch ein gewisser King Kong darf natürlich nicht fehlen, was nicht nur dem aktuellen Franchise geschuldet ist. Also, kurzum: Kaijus sind Tiere, die deutlich riesiger sind, als sie eigentlich sein sollten und überwiegend im Kino gehuldigt werden.

Der Kaiju-Kult existiert zwar in Deutschland, aber es gab bis vor Kurzem (2019) keine ernsthaften deutschen Druckerzeugnisse zu diesem Thema. Das wiederum wollte Markus Heitkamp so nicht ohne Weiteres hinnehmen und hat sich mit dem Leseratten Verlag zusammengetan. Und daraus entstand »German Kaiju«. Riesige Monster, die deutsche Großstädte unsicher machen. (Ein richtig deutsches Monster [mit Sandalen und fleischfarbenen Socken] habe ich zwar nicht in den Geschichten gefunden, aber was nicht ist, kann ja noch werden. Auf den Credit bestehe ich aber!)
Einige der Monster legen aufgrund ihrer exorbitanten Größe gerne mal ganze Städte in Schutt und Asche, während sie eigentlich nur von A nach B wollen; andere sind von Natur aus garstig; wiederum andere sind schrecklich hungrig und dann gibt es welche, die wollen nur spielen. Manche stammen aus Labors, manche sind durch Zufall entstanden und manche sind aus fernen Galaxien angereist, um die schöne Erde zu besuchen. Woher sie kommen, warum sie da sind, und was sie wollen, lässt herrlich viel Spielraum für die Fantasie der Autoren und Filmemacher.

Nun mag man leicht denken, dass das doch alles nur oller Quatsch ist. Godzilla (der alte) ist ein Mann im Gummikostüm, die alten Filme (nach heutigen Sehgewohnheiten) für das breite Publikum eher so lala. Aber ich sage euch, Brüder und Schwestern, so fing es mit den Zombies auch an. Vom Untergrund-Phänomen, vom Pfui-Bäh-B-Movie, aus der sumpfigen Subkultur auferstanden, um die Massen zu fesseln und zu begeistern. Nicht umsonst verdient man sich heute mit dem MonsterVerse ein güldenes Näschen und just dieser Tage strömen Millionen Menschen in die Kinos, um King Kong und Godzilla auf ihrem nächsten Abenteuer zu begleiten.
Die Parallelen existieren und ich denke, wenn man bei all dem Spaß, den man beim Schreiben dieser Geschichten haben sollte, mit der notwendigen Ernsthaftigkeit an die Sache herangeht, ist es eben kein »oller Quatsch«, sondern eine liebevolle Hommage an ein Genre, ein Impuls, der diese Art der Geschichten zu neuem Leben erweckt. Ob Zombie oder Kaiju.
Huch, wo war ich? Ach ja.

Mittlerweile existieren zwei Anthologien und eine Novelle im German-Kaiju-Universum, die ich euch etwas näherbringen möchte.

Den Anfang macht das schlicht betitelte »German Kaiju«. Wer hätte das gedacht? Ganze drei Vorwörter (es gibt halt viel zu dem Thema zu sagen und zu erklären) und neun Kurzgeschichten randalieren auf 378 Seiten. Vielmehr die Monster, weniger die Kurzgeschichten per se und schon gar nicht die Vorwörter. Aber es geht heiß her, wenn u. a. Autoren*innen wie Thomas Williams, Hanna Nolden & Markus Heitkamp, Tom Daut oder Simona Turini zur Monsterhatz bitten. Geprägt ist der erste Band von einem respektvollen Umgang mit dem Erbe; was heißen soll, dass unzählige Menschen gefressen werden und etliche Städte in Flammen aufgehen, während der kleine Mensch alle Waffen auf das Wesen richtet, die er finden kann. Ob nun Riesenroboter aus dem Weltall, ein riesiger Wurm, der dem Flughafen BER zusetzt, Pflanzen, die sich holen, was ihnen zusteht (und noch etwas mehr) oder die Großen Alten, die nur von einer Frau gestoppt werden können (einer dementen Dame im Altenheim) … Ich hatte beim Lesen das Gefühl, dass die Autoren*innen sich der Verantwortung bewusst waren, ein (oftmals und zu Unrecht) belächeltes Genre zu reanimieren. Und in meinen Augen hat es geklappt, denn durch die individuelle Qualität der Autoren*innen hat mich jeder Geschichte auf ihre Weise blendend unterhalten.
Besonders erwähnen muss man »Hansebiker gegen Mutant X« von Hanna Nolden & Markus Heitkamp. Warum? Weil Markus Heitkamp die Triebfeder hinter dem German-Kaiju-Projekt ist, und die Geschichte den Grundstein für die folgenden zwei Veröffentlichungen legt. Die Protagonisten der Story bekommen mit »Operation M.E.L.B.A.« (oder mit korrekter Groß-Kleinschreibung »m.Elb.A« – ich liebe den Teil in der Geschichte, in dem sie darüber diskutieren!) ihre eigene Novelle und es werden neue Figuren eingeführt, die sich anschließend quer durch die dritte Veröffentlichung ziehen und der Dienststelle einen Namen geben.

»Operation M.E.L.B.A.« mit seinen 132 Seiten ist ein echter Lesegenuss. Die Story ist fast schon klassisch: Ein monströser Wels und seine beiden Aal-Kumpels randalieren sich die Elbe entlang und die geheime Dienststelle der Wasserschutzpolizei, die zwar keinen Namen, aber immer ein Fläschen Kräuterlikör parat hat, muss sich wohl oder übel der Aufgabe annehmen. Zusammen mit Professor Honda, den Geschwistern Iona und Ion, einer gehörigen Portion Humor und reichlich Sarkasmus haben Friedhelm Jansen und Hein Dierks dabei alle Hände voll zu tun.
Die Story ist unterhaltsam, unglaublich amüsant und witzig geschrieben und ich mochte die verschiedenen Charaktere mit all ihren Fehlern und Unzulänglichkeiten auf Anhieb.

Umso schöner war es, als sie dann auch in »German Kaiju – VerDAMNt!« auftauchten und sich beim Lesen dieser Geschichten ein Gefühl wie Klassenfahrt mit Monstern in mir breitgemacht hat. War der erste Band eine Sammlung verschiedenster Ideen und Charaktere, gibt es seit »Operation M.E.L.B.A.« einen lockeren roten Faden, der sich durch viele (nicht alle) Geschichten zieht. Yeah, I like it.
Der Ton der Geschichten verändert sich im Vergleich zum Erstling ein wenig. Sprach ich vorhin von der Verantwortung, ein belächeltes Genre zu reanimieren, spürt man hier deutlicher, dass die Autoren*innen sich dieses Genre nun mutiger zu eigen machen, leisere Töne anschlagen, oder es gigantisch krachen lassen. Die Geschichten in »VerDAMNt!« »fühlen« sich selbstbewusster an. Vielleicht bin ich auch verstrahlt, aber das habe ich halt beim Lesen der Storys gefühlt.

Neben erneut drei Vorwörtern warten diesmal zwölf Kurzgeschichten auf den Leser. Am klassischsten kommt die Story »killing.exe« (Andreas Zwengel) daher: Eine durch Chemieabfälle mutierte Echse sorgt für Zerstörung … der Stoff, aus dem die Kaiju-Träume sind. »Free Meggi Gefräßiger Schrecken aus dem See« (Sarah König) und »Der Meggie-Heist« (Ralf Kor) gehören zusammen und ergänzen sich hervorragend aus verschiedenen Perspektiven, während man den musikalischen Megalodon auf seiner Zerstörungstour durch Münster begleitet. Ungewöhnlich ist die Geschichte »Bruderliebe – Blut ist dicker als Meerwasser« (Carolin Gmyrek); ungewöhnlich heißt in diesem Zusammenhang aber auch verdammt gut! Und mit »Krebirah – Terror aus der Tiefe« (Markus Heitkamp) hält Science-Fiction Einzug in die Anthologie.
Die Geschichten in »German Kaiju – VerDAMNt!« sind thematisch deutlich abwechslungsreicher als im Erstling und dadurch hat mich die Anthologie noch mehr begeistert.

Was mich ebenfalls begeistert, ist die Aufmachung der Anthologien. Englische Broschur, eine Landkarte mit den betroffenen Städten, Illustrationen von Christian Günther, die den Geschichten vorangestellt sind – genau wie die äußerst witzigen Kurzvorstellungen jedes*r Autoren*in. Hier wurde wirklich mit sehr viel Liebe zum Detail gearbeitet. Ach ja, dass es einen farbigen Buchschnitt hat, will ich wenigstens nicht unerwähnt lassen.

Ich bin gespannt, ob – und würde mich freuen, wenn – es in Zukunft noch öfter was von Jansen, Dierks, Professor Honda und Iona zu lesen geben wird.


German Kaiju / 378 Seiten / Taschenbuch 20 Euro, eBook 14,99 Euro
Mit Vorwörtern von Detlef Claus, Markus Heitkamp, Marc Hamacher
Mit Geschichten von:
Thomas Heidemann »Nakama, der Schrecken vom Mond«
Wolfgang Schroeder »Chaodoru – Das Grauen aus der Tiefe«
Tom Daut »Der Keim«
Torsten Scheib »Symbiogenese«
Thomas Williams »Frankensteins Raketenmonster im Blutrausch«
Hanna Nolden & Markus Heitkamp »Hansebiker gegen Mutant X«
Simona Turini »Flammen über Karlsruhe«
Finley »Gun« McKinley »Saibotoru greift an«
Markus Kastenholz »Die Großen Alten«

Operation M.E.L.B.A. / 132 Seiten / Taschenbuch 12 Euro, eBook 4,99 Euro
von Markus Heitkamp
Mit Vorwort von Henning Strauß

German Kaiju – VerDAMNt! / 370 Seiten / Taschenbuch 20 Euro, eBook 9,99 Euro
Mit Vorwörtern von Timo Rose, Markus Heitkamp, Christian von Aster
Mit Geschichten von:
Andreas Zwengel »Killing.exe«
Claudia Rapp »Falsch gemischt ist halb gestorben«
Sarah König »Free Meggie – Gefräßiger Schrecken aus dem See«
Ralf Kor »Der Meggie-Heist«
Carolin Gmyrek »Bruderliebe – Blut ist dicker als Meerwasser«
Markus Heitkamp »Krebirah – Terror aus der Tiefe«
Rafaela Creydt »Saat des Verderbens«
Isa Theobald »Die freundlichen Tentakel aus der Nachbarschaft«
Marina Heidrich »Love Hurts«
Tanja Kummer »Falter Royale«
Thorsten Küper »Sie werden alle sterben …«
Thomas Williams »Wahre Monster«


[Es handelt sich bei »Meinen Gedanken zu anderen Büchern« stets um meine rein subjektive Meinung als Leser und ich schreibe sie auf, weil mir danach ist. Das geschieht rein freiwillig.]