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Vor längerer Zeit entdeckte ich mehr oder weniger zufällig die Facebook-Seite des Berliner Autors Ian Cushing, damals hatte er gerade sein Debütwerk „Fünf Minuten“ veröffentlicht. Einige Monate später sandte mir der Autor sein mittlerweile neuestes Werk namens „In Ewigkeit“ zu. Dieses enthält zusätzlich das Debüt, hier allerdings unter dem Namen „In Ewigkeit -Zweiter Teil“. Ihr ahnt es also schon – die beiden Werke bauen aufeinander auf. Teil II ist der Nummerierung nach logischerwise im hinteren Teil des Buches platziert, so dass man im Sinne des Aufbaus von hinten nach vorne lesen sollte. Die schlichte, aber dennoch (oder gerade deswegen) äußerst gelungene Coverillustration stammt übrigens von Karmazid, dem oder der einen oder anderen eventuell bekannt von Arbeiten für Bands wie Urfaust oder Demonical. Auch ansonsten tauchen im Verlauf der Handlung immer wieder Querverweise und Reminiszenzen an Bands aus dem extremeren Bereich auf, dazu aber später noch mehr.
Grundsätzlich geht es in beiden Veröffentlichungen um innere Erlebnisse, Metaphysik, die ganz großen Dinge im Leben und um das vielleicht letzte verbliebene Mysterium dieser Welt, den Tod.
In Teil II schildert der Protagonist in Form von Tagebucheinträgen seinen verzweifelten Gemütszustand, in welchen er aufgrund persönlicher Lebensumstände geraten ist. Dabei blickt er auch immer wieder episodisch in seine Kindheit zurück und fragt sich, warum er derjenige ist, der er heutzutage als Erwachsener ist. Dabei setzt er sich philosophisch mit den großen Fragen des Lebens auseinander – gibt es so etwas wie Bestimmung, kann man dieser entgehen oder sich der eigenen Natur widersetzen ? Inwiefern hat man in bestimmten Situationen die so häufig zitierte Wahlfreiheit ? Und natürlich stellt er sich die ganz große Sinnfrage: wer bin ich, wofür bin ich überhaupt auf dieser Welt, hat das Ganze eine übergeordneten Sinn ? Der Protagonist sieht sich als Existentialisten und ist natürlich nah an Camus und Sartre, als gut ergänzenden Gegenpol definiert er für sich die Werk und die Botschaft von Hesse. Dabei wird er bis zu einem gewissen (Wende-)Punkt immer mehr zum Nihilisten und Misanthropen, so ekeln ihn in seinem Beruf als Sachbearbeiter die meisten Kunden irgendwann nur noch an. Sinn macht er vor allem auch daran fest, ob irgendetwas von ihm nach seinem Ableben in dieser Welt verbleiben wird. Er stellt fest, dass „wenn man nicht gerade Goethe, Hesse oder Metallica heißt und der Geschichte somit etwas hinterläßt, sind Milliarden Leben einfach sinnlos.“ Noch kürzer und prägnanter bringt er es auf den Punkt mit dem bekannten Slogan der Eidgenossen von Hellhammer: „Only death is real“.
Die polnische Band Mgla hat diesen Nihilismus übrigens äußerst poetisch im Text zu „Exercises in futility VI“ beschrieben:
„As if all this was someting moreThan another footnote on a postcard from nowhereAnother chapter in the handbook for exercises in futility.“
Im Verlauf der Geschichte spürt man, wie die Hauptperson sich immer mehr aus ihrer Passivität und Lethargie löst, unter welcher sie dann doch oft gelitten hat, wie sie retrospektiv feststellt. Auch erkennt der Tagebuchschreiber, dass die von ihm erkannte Sinnlosigkeit des Lebens letzlich dann doch eine befreiende Wirkung auf ihn hat und somit paradoxerweise seinem Leben vielleicht doch einen Sinn zu geben vermag; da es keinen übergeordneten Sinn gibt, will er nur noch die Dinge tun, die er wirklich seinentwegen tun möchte. Der Protagonist wird aktiver und nimmt die Dinge selbst in die Hand, was für ihn einen Akt der Selbstbefreiung darstellt. Im Verlauf dieses Prozesses kommt es auch zu-von gängigen moralischen Werten und Normen aus betrachtet-zu eher unschönen Taten, die ich hier aber nicht vorwegnehmen möchte. Am Ende des ersten Werkes stellt der überreflektierte Erzähler für sich selbst die Regel auf, dass er nun jede wichtige (Lebens-) Entscheidung in fünf Minuten entscheiden wird, anstatt sich wie vorher in selbstzerstörerischer Art den Kopf zu zermartern und dadurch letztlich in Entscheidungsunfähigkeit zu verharren- daher wohl auch der ursprüngliche Titel des Debüts.
Im zweiten Teil beschreibt er, nachdem er seinen Job gekündigt hat und nun vagabundierend mit einem Wohnmobil durch die Lande reist, einen folgenschweren Autounfall, bei dem es zwei Tote gibt und der als Auslöser eine Ereigniskette in Gang setzt, in deren weiteren Verlauf es zu einigen unerklärlichen Ereignisse kommt. Diese führen zwangsläufig wieder zur Auseinandersetzung mit der Frage, ob es etwas nach dem Tod gibt und falls ja, ob es sich infolgedessen lohnt, sein Leben auf bestimmte Weise zu leben und zu gestalten. In diesem Teil wird auch immer wieder auf das Tagebuch aus dem ersten Teil verwiesen. Dabei stellt der Autor den einzelnen Kapiteln passende und stimmungsvolle Textfragmente aus Songs von so verschiedenen Bands und Künstlern wie Black Sabbath, Anthrax, Warning, Seher (eine coole Berliner Black Metal-Kapelle),Tiamat, Griftegard, Reverend Bizzare, The Doors oder Bob Dylan voran.
Fazit: ein (bzw. zwei) äußerst gelungenes Werk, dass zwar nicht gerade für gute Stimmung sorgen dürfte, den Leser aber doch dazu anhalten wird, sein eigenes Leben auf bestimmte Punkte hin abzuklopfen. Gerade die Schilderungen in Tagebuchform fand ich sehr stark im Ausdruck, wenngleich hier an sich nicht wirklich viel passiert. Im weiteren Verlauf nimmt die Handlung dann auch an Fahrt auf, so dass es nicht bei reiner Introspektion bleibt. Klare Empfehlung!