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Ian Cushing hat uns, Mimi und mir, diese Novelle mit der Bitte zukommen lassen, sie zu rezensieren. Selbstverständlich fühlt man sich durch eine solche Bitte geehrt, doch sollte dies nicht zu einer beeinflussten Meinung führen.
So habe ich also für mich beschlossen, dass, sollte mir diese Novelle nicht zusagen, ich dies zwar Ian Cushing wissen lassen, jedoch keine Rezension verfassen würde.
Nunja… da ich jetzt hier sitze und diese Rezension schreibe, dürfte sich meine Meinung dazu geklärt haben…
Der Klappentext sagt nun im ersten Moment genug über den oberflächlichen Inhalt dieser Novelle aus, so will ich mich nun also lieber mit Inhalt auseinandersetzen, der zwischen den Zeilen seine Geschichte verbirgt.
Gegenwart in der Anonymität. Die erste Konfrontation: eine unbekannte Person in ihrem gegenwärtigen Jetzt.
Keine Vorgeschichte, keine Charakterentwicklung – friss oder stirb. „Du bist in meiner Welt und wenn du dich bewegst, dann nach meinen Regeln“; tatsächlich liest man hier einen Roman, ein Tagebuch, einen Roman, ein Tagebuch – der erste Moment verunsichert. Man ist fremd, fühlt sich zum einen ausgesetzt, zum anderen treibt aber die Neugierde voran.
Tatsächlich liest man eben keinen Roman, wird nicht willkommen geheißen, sondern stellt selbst die Meta-Ebene dar – eine Niederschrift eines Unbekannten. Und vor diesem Hintergrund nicht das Gefühl der Befremdlichkeit, sondern der Drang der Erkundung. Die gesellschaftliche Impertinenz diesen Fremden ungeheißen zu erleben…
„Wieso, weshalb, warum – wer nicht fragt bleibt dumm.“ – die Wissbegier um die Momenthaftigkeit vermischt sich mit dem sozialen Voyeurismus, treibt ungezwungen vorwärts. Man will nicht nur erleben, man erlebt – doch schon längst nicht mehr auf den narzisstischen Feldern der Freiwilligkeit, sondern tief in den verschachtelten Kuben der Analyse.
Die, im Klappentext erwähnte, Metamorphose findet sich hier in einer äußerst komplexen Rolle wieder: so ist die Soziopathie, in welcher sich der Protagonist dieser Novelle bewegt, ausschließlich auf einer gesellschaftlichen Sachebene gelebt, denn der emotionalen Beziehungsebene.
Und genau hier spielt Cushing nicht mit dem Leser, à la Bukowski, pervertiert nicht in die Möglichkeit, à la Sartre, sondern abstraktifiziert die Option zu einem persönlichen Moment des wahrnehmbaren (Über)Lebens.
Das Ende ist der Anfang; ist die (Er)Schaffung der Alltäglichkeit und lässt um die Möglichkeit dieser Banalität fürchten – lässt gleichsam still hoffen. Lässt die Frage selbst, als Martyrium bestehen, was das, was dieses noch nicht Gesehene wohl verbirgt…
Gegenwart in der Anonymität. Die letzte Konfrontation: ich habe mich selbst zu der Anonymität erklärt – und sehe…
Persönlich betrachte ich Fünf Minuten – Ein Tagebuch nicht als Debüt, aber als Beginn!
Cushing zeigt eine hochinteressante und komplexe Vielfalt an Stilen – es fehlt lediglich noch an Struktur. So verliert er sich weniger in der Komplexität, als dass er sich in seiner Vielfalt verläuft.
Und doch, ist es wohl möglich eben diese Strukturlosigkeit, das Brechen mit bekannten Konventionen, welches Fünf Minuten – Ein Tagebuch schlussendlich authentisch werden lässt.
Und so, wie ich Fünf Minuten – Ein Tagebuch nicht als Debüt, sondern Beginn betrachte, ist diese Novelle für mich weniger ein Schatz, als eine Münze aus eben diesem – ein Teil des Ganzen, welcher nun nur noch auf Bergung wartet…
Ian Cushing hat einen Moment geschaffen, dem es sich hinzugeben gilt. Ein unglaubliches Konglomerat, ein Mosaik, aus philanthropischer Dystopie und opportunistischer Misanthropie.
Chapeau!
Bei einem Erstlingswerk wie diesem, also keinem „klassischen“ Debüt, mit Verlag, Lektorat, hunderten von Seiten, etc. möchte, kann, will und werde ich nicht nach den „normalen“ Kriterien bewerten, was wiederum dazu führt, dass diese Bewertung nicht mit einer „regulären“ Bewertung verglichen werden kann.
Gleichsam ist dieser Erstling nicht zu unterschätzen und birgt, auch Tage danach, noch so viele Geheimnisse…
Ich freue mich auf den ersten Roman!