30.10.2017 – Lukes Meinung

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Eines der großen Vorhaben in meinem Leben, welches ich niemals umgesetzt habe, war es, ein Tagebuch zu schreiben.

Warum sollte ich so etwas tun, auch wenn ich es mir immer wieder als Ziel gesetzt habe? Mich selbst daran erinnern, wie es gewesen ist? Im Nachhinein eine Möglichkeit zu haben mit dem Vergangenen reflektorisch Händchen zu halten? Alles noch einmal zu erleben? Wer sollte das lesen, außer mir?
Also entschied ich mich jedes Mal dagegen, es zu tun, doch nicht jeder Mensch sieht es so und so kann man mit „Fünf Minuten – Ein Tagebuch“ die memorialen Erinnerungen von Autor Ian Cushing bewundern – seien sie nun frei erfunden, oder selbst erlebt.

Zuerst einmal, möchte ich den Schreibstil sezieren, welchen man auf den 96 Seiten der kleinen Kladde geboten bekommt. Cushing bemüht sich eine getragene Atmosphäre zu schaffen und diese mit – für mich – trivialen Momenten zu füllen, welche der eine oder andere Leser des Büchleins so oder anders arrangiert bereits selbst erlebt hat.

Die Vorkommnisse, welche den unbenannten Protagonisten des Buches umtreiben, sind nicht so außergewöhnlich, als das man sie vollkommen in die Ecke der Phantastik und Erfindung verweisen könnte, sondern sie sind real und ich habe bereits am eigenen Leibe erfahren können, wie dunkel, düster und bedrückend eine Lebenswelt in dieser Richtung sein kann.

Somit konnte mich also die Geschichte weder schocken, noch bedrücken, noch mental erweitern, denn nur die Kinder mit dem goldenen Löffel im Allerwertesten haben sich niemals in solch einer Welt befunden und werden durch die Sicht einer mit einem Klartuch geputzten Brille – denn dies scheint der Sinn des Ganzen zu sein – sicher durcheinander gebracht werden – der Mensch, welcher ein ganz normal hartes Leben führt, wird jedoch nur mit einem „Ja, kenn ich!“ reagieren.

Was die Geschichte jedoch interessant macht, ist die Erschaffung eines selbstgewählten Soziopathen innerhalb der 96 Seiten. Bedingt durch diesen Umstand, hoffe ich das es sich um eine frei erfundene Geschichte handelt, denn man wünscht niemandem, dass sich seine Biographie so zugetragen und entwickelt hat. Sicherlich erkennt jeder ein paar Versatzstücke des Ganzen im eigenen Werdegang wieder, doch das Endergebnis des Buches ist in Summe betrachtet doch bedenklich.

Nach der Lektüre, welche mehr als „Fünf Minuten“ in Anspruch genommen hat, frage ich mich nun, was ich da eigentlich gelesen haben und ob ich nun über Lebenszeit klagen muss, die mir keiner mehr zurückbringen wird.

Klagen muss ich sicher nicht, denn „Fünf Minuten“ ist ein Experiment, welches sicher nicht jedem zusagen wird, obwohl es vielleicht jemand mit besagtem goldenen Löffel ein wenig die Augen öffnen könnte für Laufbahnen, die eben aus den normalen zivilisatorischen Degenerationen und Widrigkeiten entstehen können – aber nicht müssen.

„Fünf Minuten“ bietet einen netten Ausflug in eine Welt, welche man nicht nebenbei erleben sollte. Sollte man sich jedoch zu 100% mit dem Protagonisten identifizieren können, so sollte dies – meiner Meinung nach – eine gehörige Portion an Selbstreflektion auslösen und zur Suche nach Hilfe führen … zumindest würde ich dies als wünschenswert erachten.

28.09.2017 – Dunkles Kapitel

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Das Tagebuch gibt einen kurzen Einblick auf das Leben des unbekanntes Protagonisten. Wie wir alle die Probleme des Lebens kennen, steht auch der Protagonist auf einem Scheideweg. Er entdeckt den Existenzialismus und lernt damit, sein Leben zu gestalten. Als der Protagonist eines Tages seine schwerkranke Tante im Hospiz besucht, und er um Hilfe gebeten wird, sieht er einen Ausweg. Dies sollte nicht das letzte Mal sein.

Ein Tagebuch, dem man schnell verfallen ist. Die Geschichte ist spannend und knapp verpackt und für den abendlichen Lesemoment gut geeignet. Vor allem die Entwicklung und der weitere Werdegang des Protagonisten gefiel mir sehr. Mit weiteren Kapiteln hätte ich gut leben können. Ein spannender und gut geschriebener Lesegenuss. Vor allem der Titel des Buches und der Sinn dahinter, wie man als letzten Absatz zu lesen bekommt, wird mir in Erinnerung bleiben und auch mir eventuell bei manchen Entscheidungswegen behilflich sein.

31.08.2017 – Nostalgic Books

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=[ Worum geht’s denn eigentlich ]=
Es handelt sich hier um das Tagebuch eines Mörders.

=[ Meine Meinung ]=
Ian Cushing wollte für mich „eine positive Überraschung“ sein und das war er eigentlich von Anfang an. Und das war er zugegebenermaßen von Anfang an. Der Kontakt war super nett und professionell und auch das Buch hat mich total überzeugt – und es handelt sich hier um sein Debüt.
Der Preis 6,99 Euro für ein Minibuch mit 96 Seiten scheint teuer, doch es handelt sich hier um ein self published Buch.

Trivialinformation: Tatsächlich habe ich im Zuge meines Abiturs für eine Arbeit mal ein Tagebuch eines Mörders geschrieben. Da es uns zu blöd war, das auf 20 DIN A 4 Seiten einzureichen … haben wir alles auf eine Karte gesetzt und ein Tagebuch gekauft, es mit Kaffee und Dreck auf alt getrimmt und dann den ganzen Text reingeschrieben. Je nach Gemütslage des Mörders zittrig, manchmal hastig … ja. Kam gut an und 15 Punkte waren mir sicher :B

Jedenfalls finde ich dieses Buch hier toll. Es liest sich gut, schnell und nachvollziehbar. Der namenlose Protagonist und Verfasser des Tagebuchs hat klare Ansichten vom Leben und hatte auch schonmal bessere Zeiten. Als seine Frau einen Herzinfarkt erleidet und seine Mutter wenig später verstirbt, ist er am Boden angelangt. 
Er beschreibt den Verlauf wie aus einem „normalen Menschen“, einem liebenden Ehemann, Sohn, Neffen, ein Mörder wird. Stück für Stück, völlig ungewollt und ungeplant. Es passiert einfach. Und zeigt uns wieder einmal, dass es „Schwarz und Weiß“ im echten Leben nicht gibt. Das wirft ein schwieriges Thema auf, das immer haufenweise Diskussionsstoff bietet. 

Simple ausgedrückt: Ein Mann, der mit der Axt seinen Vater erschlägt ist ein Mörder. Aber ein Mann der jahrelang von seinem Vater missbraucht und gedemütigt wurde, geschlagen und eingesperrt wurde, und ihn dann mit einer Axt erschlägt, ist immer noch ein Mörder. Aber ein verstandener. Jeder Mensch hat ein eigenes Rechtsempfinden, aber ein Mörder bleibt ein Mörder – laut Gesetz. 
Bei unserem Mörder hier verschwimmen die Grenzen. Der Leser sympathisiert, versteht und gibt ihm vielleicht innerlich ein bisschen recht, auch wenn es nicht „recht“ ist. 
„Fünf Minuten“ löst also im Kopf einen tollen Konflikt aus, über den man nachdenkt, seinen Standpunkt abwägen muss und sich vielleicht – so wie ich – mit jemandem darüber unterhalten muss. 

Ganz davon abgesehen, hat Ian Cushing einen tollen Schreibstil und ich würde mir wünschen, einen 300 Seiten langen Thriller von ihm zu lesen! Es hätte hier auch ruhig etwas mehr sein können! Etwas abgewandelt wäre es ein sicher noch besserer und längerer Thriller geworden.
Ein Kritikpunkt für mich: Das Cover. Das passt leider überhaupt nicht – was echt schade ist! Vielleicht hätte es einfach die Optik eines Tagebuchs haben sollen. Fänd ich interessanter. Also so hätte ich im Buchladen nicht nach dem Buch gegriffen, bin aber froh, dass ich jetzt lesen durfte!

=[ Fazit ]=
Ein toller Minithriller für einen verregneten Herbstabend!

=[ Wertung: 4 von 5 ]=

01.08.2017 – Wordworld

Wordworld

Bewertung:
Mal wieder eine Kurzgeschichte, die es in sich hat und bei deren Bewertung ich mir schwer tue:
Was ist das Leben? Welchen tieferen Sinn hat es? Diese Fragen stellen wir uns als Menschheit häufig und es gibt verschiedene Antworten und Wege, sich der Frage zu stellen. Über diese Sinn-Thematik macht sich auch der anonyme Verfasser eines Tagesbuch Gedanken und antwortet auf die Frage ganz im Sinne des Existenzialismus: Keinen. Somit hat diese Kurzgeschichte eine sehr drückende, düstere Stimmung, – eine traurige Geschichte, die immer weiter auf die Eskalation zusteuert, in Form eines Tagebuchs.

Erster Satz: „Ich habe mich entschlossen, eine Art Tagebuch zu führen und meine Gedanken aufzuschreiben.“

Das Tagebuch geht über gute zwei Jahre, von 2015 bis 2017. In 21 Einträgen berichtet der Schreiber von seiner Kindheit und seiner aktuellen Situation und reflektiert dabei sein Dasein. Der Protagonist ist ein Mann Mitte Vierzig mit einem unspektakulären Job, sonst weiß man nichts über ihn. In Form von Tagebucheinträgen aus der Ich-Perspektive lässt er uns an seinen Gedanken über das Leben teilhaben. Durch Situationen existenzieller Art wird er zu spontanen Entscheidungen gezwungen und verändert sich langsam. Ob er in den meisten Situationen zu weit geht, oder einfach logisch einen weiteren Schritt tut, muss wohl jeder Leser selbst entscheiden.

Der Sprachstil ist ruhig und niveauvoll gehalten und spiegelt die nüchterne, bedrückende Lebenshaltung des Tagebuchschreibers wieder. Dabei sind beeindruckend wenige Rechtschreibfehler und eine auffallende Schreibqualität zu bemerken. Das lyrische-Ich stellt sich selbst viele Fragen und findet im Laufe der Geschichte seine eignen Antworten darauf. Ich stimme diesen fast durchgängig zwar nicht zu, finde aber, dass jeder seinen eigenen Weg finden muss, seine Strategie um mit dem Leben klarzukommen, und wenn das die Tatsache ist, dass nichts etwas bedeutet, dann meinetwegen.

Wir kommen dem Protagonisten zwar sehr nahe – er lässt uns an seinen Gefühlen und Gedanken teilhaben -, wirklich identifizieren können wir uns mit dem Protagonisten aber nicht, er wird eher als Anti-Held dargestellt und bleibt analytisch fern und fremd. Trotz seiner distanzierten und leeren Art ist er sehr hilfsbereit, nimmt sich andererseits selber sehr zurück und ist wahrscheinlich depressiv. Er ist Existenzialist, verehrt Camus, Sartre und Hesse und erwartet nicht viel vom Leben. Genauer gesagt denkt er, dass das Leben an sich sinnlos ist. Diese Auffassung teile ich absolut nichts, weshalb es schwierig für mich war, dieses Buch zu lesen. Auf der anderen Seite wird abschreckend aber interessant dargestellt, was mit einem Menschen passieren kann, wenn er den Glauben an die Bedeutung des Lebens verliert: er verliert auch den Respekt davor und schreckt vor schrecklichen Taten nicht zurück. Er beschreibt anschaulich einen Seelenzustand, mit dem vermutlich jeder in seinem Leben schon einmal Bekanntschaft gemacht hat – Sinnlosigkeit, Selbstzweifel. Es ist das Gefühl von „kosmischer Verlorenheit“ – die schier unheilbare Empfindung von Einsamkeit und Fremdheit, überhaupt von der Absurdität des Lebens. Wider Willen ist man auf diese gottverdammte Welt geworfen worden, und niemand, von den Eltern vielleicht abgesehen, hat auf einen gewartet. Existenzialismus, so könnte man sagen, ist ein Daseins-Schmerz, dem sich – ganz nebenbei – große Werke in Musik und Malerei, in Literatur und Philosophie verdanken.

„Was, wenn man merkt, dass alles keinen Sinn macht? Wenn man versteht, dass alles, was man während seines Lebens macht und schafft, am großen Tod scheitern wird? Wenn man nicht gerade Goethe, Hesse oder Metallica heißt und der Geschichte somit etwas hinterlässt, sind Milliarden Leben sinnlos. So wie meines. Im kleinsten Kreis kann man das Leben seiner Familie, Freunde und Kollegen beeinflussen und bestenfalls bereichern, aber wenn ich nicht da wäre, wäre es ein anderer.“

Hier wurde ich stark an die Grundidee von Janne Tellers stark umstrittenem Roman „Nichts was im Leben wichtig ist“ erinnert, der von jungen Menschen handelt, die aus Angst vor dieser Frage versuchen, einen Haufen aus Bedeutung anzusammeln und dabei vor nichts mehr zurückschrecken. Ich finde es unnötige Mühe zu versuchen, sich krampfhaft eine große Menge an geheuchelter Bedeutung an zuschaufeln, wie das viele Menschen mit materiellen Dingen tun, vertrete aber trotzdem klar die Meinung, dass es so etwas wie Bedeutung klar gibt.  

Im Klapptext steht, die Geschichte sei „definitiv nichts für sonnige Gemüter“, was ich auf jeden Fall genauso sehe. Leider – oder eigentlich zum Glück – habe ich ein eher sonniges Gemüt, weshalb die Geschichte mir etwas suspekt blieb. Dennoch konnte mich die Geschichte ab der Mitte etwa richtig mitreißen. Zuerst dachte ich, die Story werde ein trübsinniger, depressiver Ausflug in die Philosophie, doch dann nimmt die Geschichte Fahrt auf und wandelt sich in einen spannenden Lebenskrimi. Um die Geschichte wirklich zu verstehen, muss man sich allerdings wirklich mit der Philosophie beschäftigen und sich auch selbst hinterfragen können. Für mich war´s nichts, aber es ist auf jeden Fall eine interessante Geschichte, die dazu bringt, kritisch über das Leben nachzudenken.

Noch ein paar Worte zur Gestaltung. Das Cover passt meiner Meinung nach perfekt zur Geschichte – dunkel, trostlos und kalt. Der Totenkopf aus Eis oder Glas im Zentrum verleiht dem Bild Atmosphäre und auch der Titel passt gut. Also insgesamt eine gute Komposition!

Zum Abschluss noch ein schönes Zitat:
Wieder lichtete sich der Nebel eines universalen, religiösen und philosophischen Problems:
Gut und Böse in Form von zwei Gegenspielern existieren nicht.
Du kannst alles sein, was du willst; es liegt alles in dir.“

Fazit
Wenn ihr Zeit habt, schenkt diesem Buch 5 Minuten, vielleicht kann es euch mehr erreichen als mich.

09.07.2017 – Stage Reptiles

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Der Protagonist befindet sich in der Krise seines Lebens – dem Leben selbst. Sich fragend, was nun der Sinn sei, entdeckt er den Existentialismus für sich und lernt, damit sein Leben zu gestalten. Eines Tages besucht er seine Tante im Hospiz und erkennt einen neuen Ausweg ins Unausweichliche.

Ian Cushing hat mit seinem Debüt ein verstörendes Kurzwerk erschaffen, das sich wohl erst setzen muss. Beginnend im Tagebuchstil, beschreibt das lyrische Ich ein tristes, zurückgezogenes Leben und macht Ausflüge in die Philosophie eines Albert Camus‚, Hermann Hesses und anderen. Dabei geht es um die Existenz an sich, um den Sinn und die Sinnsuche im Leben, die nach Camus zwar nicht hoffnungslos, aber doch sinnlos ist. Camus, der meist als Existentialist beschrieben wurde, jedoch eher weitergeht und eine Absurditätslehre begründet hat, wird zum fixen Ideengeber für das Leben. Da Suizid nicht als Ausweg gesehen wird, der Tod aber als das Unausweichliche, fristet der Protagonist sein Dasein und erfreut sich am Kleinen. Dass der Tod die einzige Wahrheit des Lebens ist, wird bald klar, wenn die Tante, die schwerkrank im Sterben liegt, auf den Plan tritt. Denn sie hat am Ende ihres Lebens eine andere Sicht auf die Existenz.

Cushing schafft es, den Leser zu packen. Zu Beginn erscheint es ein trübsinniger, depressiver Ausflug in die Philosophie zu werden, doch die Geschichte wandelt sich in einen Lebenskrimi und endet klassisch im Dilemma. Auswege sind Sackgassen, Hoffnungen wenden sich zu Trugschlüssen. Eine packende Geschichte, die nicht für jeden geschrieben wurde. Der Leser muss sich auf die Philosophie einlassen, bestenfalls in deren Gärten bereits lustgewandelt haben. Ein Hinterfragen der eigenen Ethik ist am Ende auch nicht verkehrt. Der Autor selbst gibt an, fasziniert von Camus, Sartre, Bukowski und Doyle zu sein. Die dunkle Mystik kann er erschaffen, an der dreckigen Realität eines Bukowski muss er noch ein bisschen arbeiten, aber er ist auf einem guten Weg. Ein wenig mehr Ausarbeitung der inneren Hölle wäre wünschenswert.

30.06.2017 – Buchvogel

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Woher:  Rezensionsexemplar des Autors, dem ich herzlichst dafür danke

So fängt es an: Ich habe mich entschlossen, eine Art Tagebuch zu führen und meine Gedanken aufzuschreiben.

Zusammenfassung
Der Protagonist ist ein harmoniebedürftiger Mann mit einem unspektakulären Job. In Form von Tagebucheinträgen lässt er uns an seinen Gedanken über das Leben teilhaben. Durch Situationen existenzieller Art wird er zu spontanen Entscheidungen gezwungen und verändert sich peu a peu.

Persönliche Meinung
Diese Kurzgeschichte ist beklemmend ergreifend. Dazu trug auch bei, dass ich sie auf einem Krankenhausflur las.

Die Geschichte ist in Form von Tagebucheinträgen in Ich-Form des Protagonisten verfasst, der namenslos bleibt. Das Tagebuch geht über gute zwei Jahre, von 2015 bis 2017. Der Schreiber berichtet von seiner Kindheit und seiner aktuellen Situation und reflektiert dabei sein Dasein. Wir kommen dem Protagonisten sehr nahe, er lässt uns hautnah an seinen Gefühlen teilhaben.

Erst nach einiger Zeit beginnt sich eine Handlung zu entwickeln, genauer gesagt teilt der Tagebuchschreiber einige besondere Situationen mit uns, die ihn zu unerhörten Handlungen nötigen. Wie ihn diese Handlungen beschäftigen und schließlich verändern, wird sehr dicht, lesenswert und sehr genau beschrieben. Ich war innerlich bei ihm und konnte alles nachvollziehen, bis er dann zu weit ging. Oder vielleicht war es auch nur der logische Schritt? Entscheidet selbst.

Der Protagonist ist kein Held im klassischen Sinne. Er ist einerseits harmoniebedürftig, hilfsbereit, nimmt sich andererseits selber sehr zurück und ist wahrscheinlich depressiv. Er ist Existenzialist, verehrt Camus, Sartre und Hesse und erwartet nicht viel vom Leben. Genauer gesagt denkt er, dass das Leben an sich sinnlos ist.

Der Sprachstil ist ruhig und niveauvoll gehalten und spiegelt die nüchternde, bedrückende Lebenshaltung des Tagebuchschreibers wieder. Jeder, der einen Hauch von Niedergeschlagenheit kennt, bei dem das Leben nicht nur heiter Sonnenschein ist und der als Kind eher ängstlich war und am Rand stand, wird sich von diesem Buch verstanden fühlen.

Der Autor schafft es, die Geschichte auf den Punkt zu bringen, alles ist zitierwürdig und kein Wort ist zuviel. Ian Cushing hat hier viel Wahres geschrieben, Gedanken, die ich auch nachvollziehen konnte.

Der Buchtitel übrigens bezieht sich nicht auf die Lesedauer, es ist zwar eine Kurzgeschichte, aber ich hab dann doch eine gute Dreiviertelstunde gelesen ;). Die Zeit ist gut investiert.

Lesen oder nicht?
Eine ruhig erzählte Geschichte, die nachhallt und die großen Fragen aufwirft und ein reflektierender Anti-Held: diese Kurzgeschichte ist nicht Mainstream, aber lohnt sich: Klare Empfehlung von mir. Das Buch ist etwas besonders.

26.06.2017 – Deep Ground

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Pro: Grundlegend eine gute Idee für eine Story.
Kontra: Es fehlt an Mut zur Dramatik, sodass alles ein wenig belanglos vor sich hin plätschert. Außerdem wirkt der Tagebuchstil unpassend.
Wertung: 2.5 / 5 – durchschnittlich

Review
Wenn ein Mittvierziger ein Tagebuch über einen namenlosen Mittvierziger schreibt, liegt die Vermutung nahe, dass die Geschichte autobiografische Züge haben könnte. Im Fall von Ian Cushings „Fünf Minuten“ ist zu hoffen, dass diese fixe Idee nicht der Wirklichkeit entspricht, denn auf den rund 60 Seiten schält er Stück um Stück einen soziopathischen Charakter aus der gutbürgerlichen Pelle.

Ungewöhnlich für das Tagebuchformat beginnt der Protagonist zunächst mit einer ausführlichen Rückschau auf sein Leben, das ihn schließlich zu einem von Unmut geprägten Mittvierziger hat werden lassen. Eine von Zufriedenheit geprägte, behütete Kindheit, in der Strebsamkeit und durchschnittliche Erwartungshaltungen der Eltern die größten Probleme des jungen Unbekannten waren, legt den Grundstein der morbiden Persönlichkeitsentwicklung. So ganz wird nicht ersichtlich, warum das, was sich augenscheinlich im tolerablen Durchschnittsbereich mitteleuropäischer Kindererziehung befindet, grundlegend für die späteren Taten sein sollte. Aber immerhin erhält der Leser den Eindruck, dass dieser jemand angepasst ist. Sein will. Und mit guten Gaben auf den Weg geschickt wurde.

Gute Gaben, aus denen eigentlich ein gutes Leben folgte. Ein fester Job, eine Ehefrau. Doch geben wir es zu, das Leben macht mürbe. Wir wissen nicht, welche Kunden den unerschöpflichen Empathievorrat des Unbekannten haben schmelzen lassen, aber er ist weg. Nun trifft ihn die tägliche Arbeit, bis er schließlich ausgehöhlt zurückbleibt. Ohne Muse für Hobbys und Freude schenkt ihm schließlich der Besuch bei einer Totkranken auf perfide Art und mit viel Alkohol in Softdrinks neuen Lebensmut. Der Anfang vom moralischen ‑ nicht tatsächlichen! ‑ Ende.

Bis dahin erscheint die Geschichte tiefgründig. Die Auseinandersetzung mit den Erlebnissen in dieser Krankenzelle böte genug Stoff für zahllose weitere Tagebucheinträge, aber Cushing entscheidet anders. Er schickt seine Figur nicht zur Einkehr nach innen, sondern zum weiteren Erleben (und Handeln) in die Welt. Und ab diesem Zeitpunkt driftet die Story ein bisschen in die Effekthascherei ab. Zugegeben, erwartet hätte ich diese Wendungen nicht. Dennoch bleiben die Überraschung und auch die Spannung durch die Art der Erzählung auf der Strecke. Vielleicht ist es dem Tagebuchstil geschuldet?

So ganz erscheint dieses Format der Geschichte sowieso nicht angemessen. Insgesamt 21 Tagebucheinträge über einen Zeitraum von rund zwei Jahren sind schon unglaubwürdig für ein echtes Tagebuch. Störend ist beim Lesen dann aber vor allem die Sprache. Wenig Gefühl, eher im Stil eines Berichtes verkommen die doch eigentlich persönlichen Beiträge zu reinen Beschreibungen von Taten. Gut, theoretisch wäre bei einer entsprechenden Persönlichkeit auch dieser Stil denkbar, aber dafür wirkt der Namenlose einfach nicht neurotisch genug.

Bleibt unterm Strich das Gefühl, dass sich Cushing hier mehr hätte zutrauen dürfen. Mehr von der Story, mehr von echten inneren Einblicken. Aus Perspektive seiner Figur auch mehr Reflexion ‑ oder das Gegenteil, mehr Blindheit der eigenen Handlungen gegenüber. Und schließlich auch: Mehr zu lesen. Denn der Leser verbringt hier zwar etwas mehr als „Fünf Minuten“, dürfte am Ende aber trotzdem etwas unbefriedigt aus dem Genuss hervorgehen. Vielleicht könnte man den Inhalt auch in ein anderes Format übertragen und damit die Moral von der Geschichte weiter hervorkitzeln.

Für den kleinen Lesehunger zwischendurch darf der geneigte Fan von Tagebüchern und Thrillern seine Nase trotzdem in diese „Fünf Minuten“ versenken. Versuch macht kluch!

18.06.2017 – Die Büchergnomen

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Ian Cushing hat uns, Mimi und mir, diese Novelle mit der Bitte zukommen lassen, sie zu rezensieren. Selbstverständlich fühlt man sich durch eine solche Bitte geehrt, doch sollte dies nicht zu einer beeinflussten Meinung führen.
So habe ich also für mich beschlossen, dass, sollte mir diese Novelle nicht zusagen, ich dies zwar Ian Cushing wissen lassen, jedoch keine Rezension verfassen würde.
Nunja… da ich jetzt hier sitze und diese Rezension schreibe, dürfte sich meine Meinung dazu geklärt haben…

Der Klappentext sagt nun im ersten Moment genug über den oberflächlichen Inhalt dieser Novelle aus, so will ich mich nun also lieber mit Inhalt auseinandersetzen, der zwischen den Zeilen seine Geschichte verbirgt.

Gegenwart in der Anonymität. Die erste Konfrontation: eine unbekannte Person in ihrem gegenwärtigen Jetzt.

Keine Vorgeschichte, keine Charakterentwicklung – friss oder stirb. „Du bist in meiner Welt und wenn du dich bewegst, dann nach meinen Regeln“; tatsächlich liest man hier einen Roman, ein Tagebuch, einen Roman, ein Tagebuch – der erste Moment verunsichert. Man ist fremd, fühlt sich zum einen ausgesetzt, zum anderen treibt aber die Neugierde voran.
Tatsächlich liest man eben keinen Roman, wird nicht willkommen geheißen, sondern stellt selbst die Meta-Ebene dar – eine Niederschrift eines Unbekannten. Und vor diesem Hintergrund nicht das Gefühl der Befremdlichkeit, sondern der Drang der Erkundung. Die gesellschaftliche Impertinenz diesen Fremden ungeheißen zu erleben…

„Wieso, weshalb, warum – wer nicht fragt bleibt dumm.“ – die Wissbegier um die Momenthaftigkeit vermischt sich mit dem sozialen Voyeurismus, treibt ungezwungen vorwärts. Man will nicht nur erleben, man erlebt – doch schon längst nicht mehr auf den narzisstischen Feldern der Freiwilligkeit, sondern tief in den verschachtelten Kuben der Analyse.

Die, im Klappentext erwähnte, Metamorphose findet sich hier in einer äußerst komplexen Rolle wieder: so ist die Soziopathie, in welcher sich der Protagonist dieser Novelle bewegt, ausschließlich auf einer gesellschaftlichen Sachebene gelebt, denn der emotionalen Beziehungsebene.
Und genau hier spielt Cushing nicht mit dem Leser, à la Bukowski, pervertiert nicht in die Möglichkeit, à la Sartre, sondern abstraktifiziert die Option zu einem persönlichen Moment des wahrnehmbaren (Über)Lebens.

Das Ende ist der Anfang; ist die (Er)Schaffung der Alltäglichkeit und lässt um die Möglichkeit dieser Banalität fürchten – lässt gleichsam still hoffen. Lässt die Frage selbst, als Martyrium bestehen, was das, was dieses noch nicht Gesehene wohl verbirgt…

Gegenwart in der Anonymität. Die letzte Konfrontation: ich habe mich selbst zu der Anonymität erklärt – und sehe…

Persönlich betrachte ich Fünf Minuten – Ein Tagebuch nicht als Debüt, aber als Beginn!
Cushing zeigt eine hochinteressante und komplexe Vielfalt an Stilen – es fehlt lediglich noch an Struktur. So verliert er sich weniger in der Komplexität, als dass er sich in seiner Vielfalt verläuft.
Und doch, ist es wohl möglich eben diese Strukturlosigkeit, das Brechen mit bekannten Konventionen, welches Fünf Minuten – Ein Tagebuch schlussendlich authentisch werden lässt.

Und so, wie ich Fünf Minuten – Ein Tagebuch nicht als Debüt, sondern Beginn betrachte, ist diese Novelle für mich weniger ein Schatz, als eine Münze aus eben diesem – ein Teil des Ganzen, welcher nun nur noch auf Bergung wartet…

Ian Cushing hat einen Moment geschaffen, dem es sich hinzugeben gilt. Ein unglaubliches Konglomerat, ein Mosaik, aus philanthropischer Dystopie und opportunistischer Misanthropie.
Chapeau!

Bei einem Erstlingswerk wie diesem, also keinem „klassischen“ Debüt, mit Verlag, Lektorat, hunderten von Seiten, etc. möchte, kann, will und werde ich nicht nach den „normalen“ Kriterien bewerten, was wiederum dazu führt, dass diese Bewertung nicht mit einer „regulären“ Bewertung verglichen werden kann.
Gleichsam ist dieser Erstling nicht zu unterschätzen und birgt, auch Tage danach, noch so viele Geheimnisse…

Ich freue mich auf den ersten Roman!

18.06.2017 – Buchblog Leif Inselmann

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Zu was führt Nihilismus – zu Resignation oder Hoffnung, Anstand oder Verbrechen?

Die Geschichte „Fünf Minuten: Ein Tagebuch“ von Ian Cushing beweist, dass all dies sich keinesfalls ausschließen muss. 56 Kindle-Seiten umfasst das e-book – ein eher kurzes Vergnügen, doch zweifellos ein Lesegenuss.

Geschrieben in Form eines Tagebuchs, halb Autobiografie, halb Manifest, berichtet darin ein namenloser Erzähler von seiner Lebens- und Leidensgeschichte. Eine unauffällige Person war er, vierzig Jahre lang – verheiratet, mit einem wenig geliebten Job gesegnet, sozial und doch introvertiert. „Der Tod ist die einzige Gewissheit im Leben“ – diese nihilistische Erkenntnis hat er längst zum Lebensmotto erhoben. Er hält es mit den Existentialisten, denen zufolge die Entscheidungsfreiheit des Menschen das einzige ist – und merkt doch, dass er selbst nichts aus seinem Leben gemacht hat. Etwa die Hälfte des Buches lässt er den Leser vor allem an diesen seinen Geisteshaltungen teilhaben, erst danach beginnt sich so etwas wie eine konkrete Handlungsebene abzuzeichnen. Was freilich nicht heißt, der Rest sei uninteressant gewesen; im Gegenteil, die pointierte Ausdrucksweise macht auch die bloße Selbstreflexion des Erzählers absolut unterhaltsam. Obwohl (oder vielmehr weil?) diese Ansichten von denen der meisten Menschen abweichen, konnte ich mich mit so manchen Aussagen nur allzu gut identifizieren. In der zweiten Hälfte schließlich kommt es zu wirklichen Ereignissen, als unerwartete Situationen den Protagonisten zu spontanem Handeln nötigen. Dem irgendwie nur allzu nachvollziehbaren und doch nach allgemeiner Ansicht wohl verwerflichen Handeln eines Menschen, der alle Werte schon längst begraben, der im Angesicht der allgemeinen Sinnlosigkeit nichts mehr zu verlieren hat, freilich ohne dabei jemals ein bösartiger Mensch geworden zu sein. Hier zahlt sich aus, dass der vorherige Abschnitt mit dem Berichten eines nur allzu gewöhnlichen Mannes mit einer nur allzu gewöhnlichen Vorgeschichte und lebendigen Innenansichten einen beeindruckenden Realismus gezeichnet hat, von dem auch nun kaum abgewichen wird. Eine Geschichte ist es, die hypothetisch durchaus passieren könnte, eben weil all ihre Prämissen so menschlich, so real und alltäglich sind. Gelegentlicher Witz und eine Reihe von Literatur- und Filmbezügen garnieren den Unterhaltungswert noch zusätzlich. Es sei nicht zuletzt noch einmal hervorgehoben, dass, obwohl im Self-Publishing erschienen, die Schreibqualität von „Fünf Minuten“ absolut mit den meisten Verlagsveröffentlichungen konkurrieren kann.

Hier müsste für eine differenzierte Bewertung fairerweise noch irgendein Einwand kommen, doch fiel beim Lesen keiner auf. Die Kürze und der lebendige Stil beugen Längen und Langeweile vor, das Thema ist interessant und realistisch inszeniert. Mit Ian Cushings „Fünf Minuten“ (der Titel erschließt sich übrigens erst auf der letzten Seite) kann man nichts falsch machen – die Geschichte garantiert eine hervorragende Lesestunde, nicht nur für Philosophen und Nihilisten.