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Von Ian Cushing stellte ich ja bereits vor geraumer Zeit „In Ewigkeit“ vor, ein Werk, das mir sehr gefiel. (Besprechung hier). Auch nach dieser Veröffentlichung war der niedersächsische Autor nicht passiv, sondern schrieb mit „Die Träne der Zauberschen“ nun seinen ersten Roman. Das sehr passende Artwork des Buchcovers stammt wie bereits bei der vorherigen Veröffentlichung von Karmazid.
„Die Träne der Zauberschen“ lässt sich nicht einfach in ein bestimmtes Genre einordnen, vielmehr ist es eine Mischung aus Horror und Historienroman. Die Handlung des Romans verläuft auf zwei verschiedenen (Zeit-)Ebenen. Zum einen ein der Gegenwart des sehr ländlich gelegenen Dorfes Pfuhlenbeck, in dem drei mittlerweile in den besten Jahren angekommene Freunde (also Mitdreißiger) mit Ihren Familien ihr mehr oder weniger angenehmes Leben führen. Die andere Ebene deckt sieben Jahre in der Neuzeit, genauer die Jahre 1604 -1611 ab. Dort lebt die Bäckerin Barbara im Dorf Pfüeln ein anfänglich glückliches Leben mit Mann und Tochter, bis sie aufgrund Eifersucht und Neid einer Bekannten der Hexerei beschuldigt wird.
Da dies ja nun einmal ein Magazin über Metal ist und der Autor des Romans ebenso gerne Musik der härteren Gangart hört, erlaubt mir folgenden Exkurs: Generell ist und war ja das Thema Hexenverfolgung / Inquisition / Häresie ein auch gerne verwendetes in den Texten und Konzepten zahlreicher Metalbands, was sich auch in Bandnamen wie beispielsweise Inquisition, Inquisitor, Ketzer, Burning Witch, Burning Witches (ja, gibt es sowohl im Singular als auch im Plural) widerspiegelt. Auch Ruins of Beverast betitelten ein Album mit „Blood Vaults-The Blazing gospel of Heinrich Kramer“-Kramer war einer der Wegbereiter der Hexenverfolgung und Autor des berühmt-berüchtigten „Hexenhammer“ (sowohl Kramer als auch sein Werk finden auch im Roman Erwähnung), auch bekannt als Malleus Maleficarum. Die englischen Doomer von Cathedral thematisierten das Wirken von Matthew Hopkins, dem sogenannten „Witchfinder General“ (es gibt auch eine englische gleichnamige Metalband), der mit Hilfe der Wasser- oder Nadelprobe vermeintliche Hexen ausfindig machte- was einer als „Hexe“ identifizierten Frau damals blühte, ist hinreichend bekannt.
Und es kommt, wie viele sich wahrscheinlich schon denken werden – am Ende werden die zwei Erzählstränge zusammengeführt, da über die Jahrhunderte hinweg ein quasi unsichtbarer Zusammenhang zwischen den beschriebenen Personen bestand. Am Ende gipfelt das Ganze in einem furiosen Finale, mehr sei an dieser Stelle natürlich nicht verraten.
„Die Träne der Zauberschen“ besticht durch eine authentische und detailgetreue Schilderung der einzelnen Charaktere, so dass diese lebendig wirken und die Empathie des Lesers verstärkt wird. In einem bestimmten Aspekt fühlte ich mich auch etwas an Stephen King’s „Carrie“ erinnert, vielleicht wird es der ein oder andere Leser nachvollziehen können. Zum anderen sind gerade die Schilderungen der Anklage und der Verlauf des Hexenprozesses – leider, muss man sagen – nicht so weit von aktuellen gesellschaftlichen Fehlentwicklungen entfernt, denkt man an die leider immer mehr Zulauf bekommenden Verschwörungstheoretiker oder „Querdenker“ deren abstrusen Thesen oftmals nicht weiter entwickelt sind als die heute natürlich zu Recht belächelte Annahme, Frauen könnten mit dem Teufel im Bund sein und Hexerei betreiben. Auch wozu ein wütender, angestachelter Mob in der Lage ist, scheint sich aktuell wieder zu vermehrt zu bestätigen, siehe den Sturm auf’s Kapitol und der versuchte Sturm des Reichtagesgebäudes. Leider, so fürchte ich, hat sich die Menschheit in all diesen Jahrhunderten nicht so wahnsinnig viel weiterentwickelt…
Zusammenfassend bleibt zu sagen, dass Ian Cushing mit „Die Träne der Zauberschen“ erneut abgeliefert hat, was u.a. daran ersichtlich ist, dass es der Roman auf die Shortlist des Skoutz-Awards in der Kategorie Horror geschafft hat. Fans der vorherigen Werke, aber auch alle anderen die sich von der hier beschriebenen Thematik angesprochen fühlen, sollten auf jeden Fall hier reinlesen!