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Ein Jahr nach seiner unkonventionellen Novelle „In Ewigkeit“, die ich die Ehre hatte rezensieren zu dürfen, hat Ian Cushing nun mit „Die Träne der Zauberschen“ sein zweites Buch veröffentlicht. Der 460 Seiten starke Roman entführt uns in zwei Zeitebenen einer tragischen Geschichte von Ungerechtigkeit und Vergeltung.
Im Jahre 1611 wurde die Bäckerin Barbara unschuldig Opfer eines Schauprozesses wegen Hexerei. Die drei Freunde Jan, Dirk und Marcus ahnen vierhundert Jahre später nichts davon, dass sie ein verheerendes Erbe in sich tragen – denn der Geist Barbaras, jahrhundertelang zur Untätigkeit verdammt, sinnt auf Vergeltung an ihnen und ihren Familien … Ian Cushing ist es einmal mehr gelungen, eine ganze Gruppe authentischer Charaktere zu entwerfen, ein jeder mit individuellem Profil und perfekt zusammenspielend in einem dicht inszenierten Szenario auf dem Weg Richtung Katastrophe. Abwechselnd beobachten wir den Prozess Barbaras im siebzehnten Jahrhundert und das zunächst so idyllische Zusammenspiel der gegenwärtigen Protagonisten, die zunehmend von dem rachsüchtigen Geist heimgesucht werden. Dabei ist die Prequel-Handlung weit mehr als nur bloße Erklärung für sinnlosen Hass einer mordenden Untoten, hat diese doch auch nach Jahrhunderten der Verdammnis und der Rachegedanken ihren ursprünglichen Charakter nicht ganz verloren. So ist dann auch das Ende ganz anders, als man es von anderen Heimsuchungsgeschichten gewohnt ist und überrascht einen schon ziemlich – ein kreativer Bruch mit Konventionen, der gleich in mehrfacher Weise zum Nachdenken anregt, doch ohne dabei weniger folgerichtig zu sein.
Gerade für ein im Self-Publishing veröffentlichtes Buch beweist „Die Träne der Zauberschen“ eine bemerkenswerte Qualität – nicht nur was das professionell gestaltete Cover angeht, sondern auch in Ausdruck und Sprache, die durchweg das Niveau massentauglicher Bestseller erreichen. Dabei ist das Buch sehr flüssig zu lesen – Cushing beweist das Talent, selbst dann unterhaltsam zu schreiben, wenn gerade nicht die spannende Handlung vorangetrieben wird und es vielmehr um die Charakterisierung der Protagonisten und ihrer Familiensituation geht, was einen guten Teil der ersten Hälfte einnimmt. Wenig später schon geht es aber Schlag auf Schlag und die Handlung zieht schneller an, als man es erwartet hätte. Man merkt durchaus, dass gar nicht einmal die Phantastik Kern des Romans ist, sondern vielmehr wirklich die handelnden (bzw. behandelten) Personen und ihr tragisches Schicksal. All das sorgt für eine umso lebendigere Identifikation mit den Figuren, gerade auch emotional außerordentlich mitreißend. „Die Träne der Zauberschen“ ist letztlich voll und ganz zu empfehlen – spannende und flüssige Unterhaltung, schnell gelesen, doch trotzdem nicht ohne einige inhaltliche Tiefe.