„Die Träne der Zauberschen“ hat mich wirklich überrascht. – Warum? Nun ja, ich nahm an, ich würde mich in den nächsten Stunden mit einer Art übersinnlichen Thriller beschäftigen; der Klappentext verrät uns, dass die Freunde Jan, Dirk und Marcus plötzlich von einer schemenhaften Gestalt einer jungen Frau heimgesucht werden. Den Dreien wird ein Verbrechen zur Last gelegt, welches vor 400 Jahren verübt wurde … Das Leben der Freunde und ihrer Familien steht auf dem Spiel …
Hört sich gut an, hm? Ist sogar noch um Längen besser, als es sich anhört! – Wider Erwarten beginnt die Story nicht mit den drei erwähnten Protagonisten, sondern findet seinen Ursprung im Jahre 1611. Der Leser bekommt ein literarisches Bild aus dem frühen 17. Jahrhundert gemalt. Ian Cushing schafft es bereits hier nicht nur eine packende Atmosphäre zu schaffen, sondern zaubert mit seinen Worten so genaue Bilder vors geistige Auge, dass man schon nahezu die passende musikalische Untermalung im Hintergrund zusätzlich wahrnimmt.
Ab dem 2. Kapitel lernen wir dann auch „die Jungs“ kennen; drei Familienväter, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten, sich so aber wunderbar ergänzen. Dirk, Jan und Marcus sind seit der frühen Jugend miteinander befreundet und genießen ihr jeweiliges Leben sehr. Leider hat mir persönlich die Introduction etwas zu lange gedauert bzw. empfand ich die Schilderung der dreien als etwas zu umfangreich. Anderen mag es durchaus gefallen, dass die Charaktere liebevoll beschrieben und gezeichnet sind, mir war es ein klein wenig zu viel Lebenslauf auf einmal.
Von nun an lesen wir im Wechsel zwischen der Gegenwart und der Vergangenheit und lassen uns erläutern wie die Ereignisse oder eher die Epochen miteinander verbunden sind. Das hat mir wunderbar zugesagt, die Spannung wurde konstant aufrecht erhalten und es wurde für Abwechslung gesorgt. Besonders hervorheben möchte ich das Repertoire an Wortschatz, das Herr Cushing hier hervorzaubert! Nicht jedermanns Talent liegt darin mit Worten zu jonglieren – dieser Mann kann es!
Vielleicht wird nun etwas deutlicher, warum mich dieser Roman überrascht hat. Erwartet hatte ich Grusel – bekommen habe ich etwas nahezu uneinsortierbares, aber definitiv sehr unterhaltsames und auch stellenweise ergreifendes Buch! Normalerweise bin ich ein Mensch, der einen großen Bogen um historische Geschichten macht – und hätte ich dies hier vorab gewusst, wäre meine Neugier auf „Die Träne der Zauberschen“ auch arg gemildert gewesen – und dennoch haben gerade diese Kapitel mir besonders gefallen und mich stetig zum Weiterlesen animiert.
Herr Cushing, wir haben uns nicht zum letzten mal gelesen! Ich bedanke mich herzlichst für das Rezensionsexemplar und auch für den netten Kontakt. 🙂