Inhalt:
„Falls Sie mir Glauben schenken, vermag ich nicht weniger zu erreichen, als dass Ihre Seelen in Ewigkeit gerettet werden.“
Nach einem Neuanfang in seinem Leben verliert er plötzlich alles, was für ihn noch Bedeutung hat. Inmitten dieses emotionalen Chaos hat er ein phantastisches Erlebnis, aber besitzt er tatsächlich als einziger Mensch das Wissen um das letzte große Geheimnis oder ist es nur ein Traum?
Bewertung:
DISCLAIMER: Vielen Dank an Ian Cushing für das -signierte!!!- Rezensionsexemplar! Schön, dass ich als dein Nicht-Fan nach meiner vernichtenden Rezension zum ersten Versuch nochmal dein Vertrauen wecken konnte! 😉
Nachdem ich im August des vergangenen Jahres schon das Vergnügen hatte, durch „5 Minuten – Ein Tagebuch“ mit den Fragen nach dem Sinn des Lebens konfrontiert wurde, jedoch mit der existenzialistischen Weltsicht nur wenig anfangen konnte, habe ich durch diese Neuauflage der Geschichte in anderem Rahmen noch einmal die Möglichkeit bekommen, einen anderen Blickwinkel einzunehmen. Hier wird im Grunde genommen das ursprüngliche Tagebuch um eine weitere Dimension der Geschichte erweitert, wodurch alles in anderem Licht erscheint. Das ursprüngliche Buch ist nun nach dem erscheinen der neuen Version nicht mehr einzeln erhältlich, entspricht aber dem zweiten Unterkapitel des Romans.
„Is this the end of the beginning?
Or the beginning of the end?
Losing control or are you winning?
Is your life real or just pretend?“
– Black Sabbath – End of the beginning –
Mit was lässt es sich bei einer solch komplizierten Geschichte schöner einsteigen als mit dem glasklaren, wunderschönen und intelligenten Cover? Wie auch beim Vorgänger dominiert ein einheitliches Schwarz das Cover, dezent durchbrochen durch die filigrane Schrift von Autorenname und Titel. Wie auch der Klapptext ist letzterer knapp, stimmig und interesseweckend. Durch die ansonsten schlichte Gestaltung kommt die Illustration im Zentrum des Bildes in ihrer – wie der Autor es nennt – „morbiden Schönheit und Tiefgründigkeit“ wunderbar zur Geltung, wobei ich ihm vollkommen zustimme. Verschlungene Dornenzweige, die mit ihren Verästelungen, Blütentriebe und Spinnfäden schön und schrecklich zugleich sind, formen ein gleichmäßiges Unendlichkeitszeichen, welches die Thematik des Titels aufnimmt. Auch die Seiten, die den Roman in zwei Abschnitte teilen, tragen dieses Zeichen. Der bekannte Künstler Karmazid, von dem die Illustration stammt, hat hier ein wirkliches Kunstwerk geschaffen, das die Gedanken über Tod, Schönheit und Ewigkeit der Geschichte wunderbar auf den Punk trifft. Einzig mit der Altersempfehlung, 0 Monate und älter bin ich absolut nicht einverstanden. Auch wenn ich ahne, dass sie eine Art Scherz sein soll, fände ich ab 16 Jahren doch angebrachter 😉
Erster Satz: „Ich habe eine Geschichte zu erzählen; eine Geschichte, die mir vielleicht niemand glauben wird, was ich durchaus verstünde, denn auch ich vermag an manchen Tagen nicht zu glauben, was mir geschehen ist.“
Mit diesem Satz steigen wir in einem kurzen Prolog in den ersten Teil des Romans ein, welcher unmittelbar nach den Ereignissen in Teil 2 spielt. Aufgezogen wird dieses Prequel als autobiografisch erscheinendes Manuskript eines Mannes, der nach einer schweren Sinnkrise in der Freiheit der Spontanität und Ungebundenheit eine neue Lebensweise entdeckt hat. Mit seiner sogenannten 5-Minuten-Regel hat er sich darauf verschrieben, nicht weiter als 5 Minuten in die Zukunft zu denken um instinktiv sein Leben voranzubringen und frei von Angst und Zweifel zu sein. Wenn man wie ich nicht von den traumatischen und teilweise wahnsinnig anmutenden Ereignisse des zweiten Teiles scheint man es hier mit einem lebensfreudigen, aufgeschlossenen Menschen zu tun zu haben, der sein Leben in vollen Zügen genießen kann. Als ein Schicksalsschlag seinem neuen Leben eine Pause versetzt und er eine fantastische Begegnung dritter Art erlebt, wirft dass all seine Überzeugungen über den Haufen. Während er noch mit dem Verlust seines besten Freundes zurecht werden muss, sieht sich plötzlich mit der Lösung eines Urgeheimnisses konfrontiert: die Frage nach dem Jenseits…
„Es ist dein Paradies und gleichzeitig auch deine Hölle.
Du bist zu Lebzeiten der Architekt deiner Kathedrale im Himmelreich.“
Der Sprachstil ist ruhig und niveauvoll gehalten und spiegelt die nüchterne, bedrückende Lebenshaltung des Tagebuchschreibers wieder. Viel Zynismus, intelligente Anspielungen und innovativen Sprachbilder umrahmen diese Geschichte, die so viel in ihren knapp 200 Seiten beinhaltet: ein wenig Drama, Philosophie, Mystery, Thriller-Elemente – die Geschichte ist facettenreich und so wird sie auch präsentiert.
„Mein letzter Anker hatte sich aus dem lockeren Sand des Lebens losgerissen und ich fühlte mich wie ein Boot, das ohne Steuer und Ruder auf das offene Meer getrieben wurde und ohne Ziel und Plan drohte, in Seenot zu geraten.“
Interessant ist an diesem Roman neben dem Inhaltlichen vor allem der Aufbau und die unterschiedlichen Erzählweisen. Die 9 Kapitel des ersten Teiles werden mit passenden Songzitaten einiger bekannter und weniger bekannter Rock-/Metal-Bands untermauert und haben einen grundlegend positiven Ton. Hingegen ist der zweite Teil in Tagebuchform geschrieben und gewähnt uns Leser einen Einblick in die Vorgeschichte des namenslosen Protagonisten. Beginnt man mit dem zweiten Teil bekommt die nachdenkliche Stimmung schnell einen dunkleren, amoralischeren Klang. Gerade der Wechsel und die Tatsache, dass der erste Teil wie als Art ergänzende Erklärung vorangestellt ist, macht es leichter, die nachfolgende Erzählung zu ertragen und zu verstehen.
„Was, wenn man merkt, dass alles keinen Sinn macht? Wenn man versteht, dass alles, was man während seines Lebens macht und schafft, am großen Tod scheitern wird? Wenn man nicht gerade Goethe, Hesse oder Metallica heißt und der Geschichte somit etwas hinterlässt, sind Milliarden Leben sinnlos. So wie meines. Im kleinsten Kreis kann man das Leben seiner Familie, Freunde und Kollegen beeinflussen und bestenfalls bereichern, aber wenn ich nicht da wäre, wäre es ein anderer.“
Was ist das Leben? Welchen tieferen Sinn hat es? Diese Fragen stellen wir uns als Menschheit häufig und es gibt verschiedene Antworten und Wege, sich der Frage zu stellen. Der anonyme Verfasser des Tagebuchs beantwortet diese Sinn-Frage zunächst ganz im Sinne des Existenzialismus: keinen. Im Laufe des Tagebuchs wird die Stimmung immer drückender, düsterer während wir Zeuge werden, wie der Mann haltlos alle Moral und Überzeugungen ablegt und sein Leben immer weiter auf die Eskalation zusteuert. Im Gegensatz zum gemäßigten, nachdenklichen, fast schon zarten ersten Part, haben wir es hier mit einem erschreckenden, spannenden Lebenskrimi zu tun, der jedoch vor allem Sinnlosigkeit und Selbstzweifel übermittelt.
Existenzialismus lässt sich als Gefühl von „kosmischer Verlorenheit“ beschreiben – die schier unheilbare Empfindung von Einsamkeit und Fremdheit, überhaupt von der Absurdität des Lebens. Auch der Protagonist hier verehrt Camus, Sartre und Hesse, denkt, dass das Leben an sich sinnlos ist und spürt diesen Daseins-Schmerz, der ihn auch dazu bringt, Morde zu begehen. Auch wenn ich selbst mit dem Existenzialismus nichts anfangen kann und deshalb auch den zweiten Teil als alleinstehende Geschichte nicht wirklich gut finden konnte, muss ich zugeben, dass wir ihm große Werke in Musik und Malerei, sowie in Literatur und Philosophie verdanken.
„Wieder lichtete sich der Nebel eines universalen, religiösen und philosophischen Problems:
Gut und Böse in Form von zwei Gegenspielern existieren nicht.
Du kannst alles sein, was du willst; es liegt alles in dir.“
Der Autor selbst würde seinen Roman gerne als Schauerliteratur im Andenken an Größen wie Edgar Allan Poe, Howard Phillips Lovecraft oder Stephen King sehen, was ich teilweise bekräftigen kann. Dieser Roman ist gruselig ohne blutrünstig zu sein, nachdenklich ohne ins lahm philosophierende abzurutschen und spannend ohne unnützes Drama zu benötigen. Der namenlose Protagonist wechselt vom Held zum Antiheld, wieder zurück, bis man als Leser irgendwann versteht, dass diese Kategorien hier eigentlich gar nicht so wichtig sind. Vielmehr zählt hier das Bild des Erzählers auf sich selbst. Spannend ist dazu auch, dass er zu keinem Zeitpunkt einen Namen bekommt. Der Autor hat hier eine Geschichte geschaffen, die nicht einfach herunter zu lesen ist und bei dem man bestimmt nicht alles akzeptierend abnicken kann, sie ist jedoch Anlass zum Nachdenken und bringt dazu, sich mit seiner eigenen Lebenssicht auseinander zu setzen. Um die Geschichte und ihre Hintergründe wirklich gänzlich verstehen zu können, muss man sich ein wenig mit Philosophie auskennen, bereit sein, damit zu beschäftigen und sich auch selbst hinterfragen können. Auch wenn ich auch hier oft mit der Stirn gerunzelt habe, hat mir dieser Rahmen für die Geschichte weitaus besser gefallen und ich kann sie nun getrost mit einem vorsichtigen Daumen hoch weiterempfehlen.
„Als wir still in der Abenddämmerung saßen und einen guten Whisky tranken, flüsterten die Berge und leise zu, dass wir nicht so töricht sein sollten, uns über die kleinen Ungereimtheiten des Lebens zu ärgern. Diese Ärgernisse, de uns Menschen so wichtig erschienen, dass wir pausenlos von ihnen reden müssen, sind nur ein Wimpernschlag im Leben eines Gebirges. Diese Weisheit gab mir das Gefühl der Freiheit und hat mich tief geprägt und gleichzeitig bestätigt, denn mir war schon immer bewusst, dass Bescheidenheit im Leben die wertvollste und zugleich eine rare Tugend ist.“
Abschließend möchte ich mit einem Zitat enden, das mein Leseerlebnis eigentlich ziemlich genau auf den Punkt bringt:
„War das nicht vollkommen verrückt?
Nicht verrückter, als die anderen Erzählungen und Vorstellungen
über das Leben nach dem Tod, denke ich.“
Fazit:
Auch wenn ich auch hier oft mit der Stirn gerunzelt habe, hat mir diese facettenreiche und nachdenkliche Geschichte, die auf ihren knapp 200 Seiten so vieles beinhaltet – ein wenig Drama, Philosophie, Mystery, Thriller-Elemente – recht gut gefallen und ich kann sie nun getrost mit einem vorsichtigen Daumen hoch weiterempfehlen.