08/2024 – Cushings Stammtisch (05 – KÜNSTLICHE INTELLIGENZ)

[STAMMTISCH – KÜNSTLICHE INTELLIGENZ]

Liebe natürliche Zuckerperlen und Lichtbringer,
an #cushingsstammtisch geht es heute um »KI in der Literatur«.

Meine Gedanken zu diesem Thema waren extrem schwer zu ordnen, meine Emotionen beinahe unmöglich zu kanalisieren, und das Thema ist viel zu komplex, als dass man es in das Instagram-Zeichenlimit quetschen könnte. Also habe ich mich entschieden, das Thema ganz persönlich anzugehen – und auch diese Herangehensweise deckt nicht alle Facetten ab. Aber an einem Stammtisch geht es um Meinungen, richtig?

Was ist meine persönliche Perspektive? Ich bin ein Hobbyautor, der schreibt, weil ihn etwas bewegt, umtreibt, quält oder erfreut. Meine Texte sind immer Ausdruck meines ganz persönlichen Seelenlebens. Und ich bin Leser, der solche Geschichten (neben der Unterhaltung) sucht.

Hat KI etwas in der Literatur (oder Kunst an sich) zu suchen? Entsteht wahre Literatur nicht durch den Akt, den der/die Schaffende durchlebt? Durch alles, was er/sie in seinem/ihrem Leben erlebt, erfahren hat? Ist Literatur ohne solche Emotionen real oder lediglich eine Aneinanderreihung von toten Worten, die aufgrund Algorithmen ausgewählt wurden, um eine berechnete Reaktion bei dem/der Leser*in auszulösen? Das Letzte, was die Welt braucht, ist noch mehr Künstlichkeit. Wir brauchen Autoren*innen, die ihr Herz auf der Zunge tragen, uns teilhaben lassen an dem, was sie erlebt haben, uns aufgrund ihrer menschlicher Irrungen und Wirrungen inspirieren, uns selbst in Frage zu stellen und zu besseren Menschen zu werden.

Ich weiß, diese Sichtweise ist sehr idealistisch. Nicht jedes Buch auf dem Markt wird aus Liebe zum Wort oder aus dem Wunsch heraus, seine Gedanken gedruckt zu sehen und teilbar zu machen, geschrieben. Generische Thriller-, Fantasy- und Krimi-Reihen (unvollständige Aufzählung) gibt es seit Jahrzehnten zu Genüge, aber auch wenn ich diesen nichts abgewinnen kann, entstehen sie durch die Fantasie des/der Autoren*in und werden wenigstens in Handarbeit gefertigt. Bis jetzt.

Was mich schockiert, ist, dass ich immer häufiger in den Kommentaren zu Beiträgen über KI in der Kunst bei Instagram oder sonst wo lese, dass immer mehr Autoren*innen sich »von der KI unterstützen lassen«.
Wirklich? Ganz ehrlich … wenn man es nicht schafft, seine eigenen Gedanken und Gefühle bestmöglich mit den eigenen Worten und der eigenen Leidenschaft zu Papier zu bringen, hat man sich vielleicht das falsche Hobby ausgesucht, oder? Wenn man sein Bestes gibt, heißt es zwar nicht, dass irgendjemand das gut findet – geschweige denn, dass es (objektiv betrachtet) gut ist.
Sind einige Absätze in meinen Büchern manchmal etwas holprig? Vielleicht. Aber dann habe ich in dem Moment holprig gedacht, holprig gefühlt. So wie es ist, ist es Ausdruck meines Selbst. Der Ausdruck meiner individuellen geistigen Schöpfung im Rahmen meiner Möglichkeiten. Und darauf kommt es an.

Ich persönlich werde als Hobbyautor weder Cover noch Text noch die notwendigen (und manchmal arg ungeliebten) Nebenarbeiten (Werbung, Klappentext, Plots, etc.) einer KI übergeben. Ich will weiterhin meine Fantasie ausleben, Welten kreieren, Geschichten erzählen. Wenn das eine KI für mich übernimmt … wo steckt der Sinn? Das bin nicht ich, der es geschrieben hat, sondern ein Programm. Auch wenn es nur ein Absatz ist. Und den hat das Programm sicherlich wunderbar aus dem bereits Gelernten zusammengeklaut.

Aber keine Bange … Nimmt jemand einen anderen Weg als ich, soll es so sein. Bei entsprechender Kennzeichnung von KI-Inhalten (Ich bin für eine deutliche, klar erkennbare Kennzeichnungspflicht!) bin ich in der Lage, durch mein Lese- und Konsumverhalten, meine Einstellung zu diesen Produkten zum Ausdruck zu bringen. Wenn ich weiß, dass im Buch XY nur ein Teil aus Herz und Seele besteht (vollständig KI-generierten Texten lassen wir heute außen vor), der Rest von einem nichtexistenten Ghostwriter ausgespuckt wurde, der sich dabei vermutlich auch noch am Urheberrecht vergangen hat, übermittle ich von Herzen den schwäbischen Gruß und bin verschwunden.

Ich bin auch nicht neidisch, wenn jemand durch KI eine Abkürzung bei den oben erwähnten Nebenarbeiten, die 75% des Hobbys ausmachen, nimmt, durch die ich mich mit herunterhängenden Mundwinkeln durchquäle – auch wenn die Nutzung von KI einen moralischen Betrug an den herkömmlich arbeitenden Kollegen*innen darstellt. Für mich ist der lange, steinige Weg, um von einer Idee bis zu einem fertigen Buch zu kommen, der einzige, der mir Befriedigung verschaffen kann. Ich bin halt Generation »Ohne Fleiß kein Preis« und der Respekt, den ich denjenigen entgegenbringe, die es sich zu leicht machen, passt auf einen Stecknadelkopf.

Die KI-Entwicklung lässt sich nicht mehr aufhalten. Weder von mir noch von sonst wem. Die Büchse der Pandora wurde geöffnet und der Deckel ist in den Gully gefallen. Jede*r, der etwas Kleingeld übrig hat, kann sich einen Zugang zur KI leisten und sich nach Herzenslust austoben.
»Autoren« lernen nicht mehr das Handwerk von der Pike auf, sondern generieren Texte, um den Markt mit seelenlosen Produkten zu überschwemmen. Verlage lassen Texte übersetzen, um uns minderwertigen Schrott feilzubieten. Die Kids werden irgendwann nicht mehr zeichnen lernen, weil sie ihre Wünsche einer KI anvertrauen können, die sie dann in wenigen Augenblicken verwirklicht.

In fünf Jahren werde ich diesen Stammtisch betrachten und feststellen, wie naiv mein heutiger Idealismus war. Aber ich werde auch feststellen, dass ich an ihm festgehalten habe. Ich bin, was sowas angeht, schon mit einem ansprechenden Altersstarrsinn gesegnet. Oldschool for life mit einer Null-Toleranz-Grenze für KI in der Kunst und einer gehörigen Portion Ignoranz für Menschen, die Ruhm ernten wollen, ohne Mühe zu investieren.

Sollte ich in einigen Jahren erkennen, dass der Büchermarkt überwiegend aus künstlich-generierten Texten besteht, wird es genügend Klassiker in den Antiquariaten geben, die ich bis zu meinem Lebensende zum ersten oder wiederholten Male durchschmökern darf.

In diesem Beitrag werden Aspekte wie (unfreiwillige) private Nutzung von KI in Apps zum Vergnügen, Wettbewerbsverzerrung, Urheberrecht, Vernichtung von Arbeitsplätzen oder wie schändlich einige Verlage mit dem Thema umgehen – ich sage nur Cover und Übersetzungen –, nicht angesprochen, um den Rahmen nicht zu sprengen. Vielleicht kommt ja irgendwann ein Nachschlag zu diesem Stammtisch.

Ich bin übrigens nicht per se gegen KI. In Bereichen wie Wirtschaft, Wissenschaft und Medizin denke ich, dass ein kontrollierter und überwachter Einsatz zur Unterstützung des Menschen sinnvoll ist. Aber da liegt die Betonung auf »kontrolliert« und »überwacht« und »unterstützend«.

Was sagt Ihr dazu? Würdet Ihr beim Schreiben Eurer Bücher eine KI nutzen? Habt Ihr schon ein von einer KI (teil)generiertes Buch gelesen? Wie ist Eure ganz persönliche Meinung?

In diesem Sinne … bleibt natürlich!
Euer Ian.