
Für die Mehrheit der Menschen war es der letzte Tag – für ihn war es der letzte gute Tag …
… als er während seiner ausgelassenen Geburtstagsfeier mit einem Schlag in eine Apokalypse hinein katapultiert wird. Sein einziger Sohn kommt dabei ums Leben, seine Frau wird schwer verletzt in ein unbekanntes noch funktionierendes Krankenhaus abtransportiert. Danach verliert sich ihre Spur. Vier Jahre nach der Katastrophe gibt er nicht auf sie zu suchen, ist fest davon überzeugt, dass sie noch am Leben ist. In einer scheinbar intakten Gemeinschaft, die mit mageren Ergebnissen versucht Nahrungsmittel zu züchten, es sich bei ihr keineswegs um eine sichere Zuflucht handelt, geht das Gerücht um, dass sie angeblich in einer entfernten weiteren Siedlung untergekommen sein soll.
Dieser Roman – unterbrochen von wehmütigen Rückblenden aus einem längst vergangenen Leben – nimmt seine Leser von der ersten Seite an auf eine Reise durch die zerstörte Welt bis zum ergreifenden Finale mit : Hass, Wut, Verzweiflung, Elend, Entbehrungen werden sehr emotional beschrieben, wie auch der winzige Funken Hoffnung dort draußen irgendwo den vermissten geliebten Menschen zu finden. Und dass gerade darin so etwas wie noch ein Lichtblick im aschgrauen Himmel zu erkennen ist, unterscheidet diese Geschichte deutlich von Cormac McCarthys „The Road“.
Mich hat die erste Szene mit den alten gebrechlichen Menschen in einem der heruntergekommenen Häuser beeindruckt, vor allem wie Josef mit ihnen umgeht, sagt viel über seinen Charakter aus. (In Ausnahmesituationen zeigt der Mensch wie er wirklich ist). Josef gelingt es seinen inneren „Werwolf“ im Zaum zu halten. Was nicht heißt, dass er nicht imstande ist, sich gegen jene „Werwölfe“, zu verteidigen, die sich nicht im Griff haben, wobei Action-Szenen sich erfreulicherweise im Hintergrund halten und nur an den Stellen auftauchen, wo es unvermeidlich wird.
Denn es geht nicht ausschließlich um grausig blutige Schilderungen über „Folter, Mord und Todschlag“, sondern ebenso um die Option des Miteinanders (ich denke an die liebenswerte Schnodderschnauze Ben-Keule), sowie um den seelischen Zustand eines Menschen, dessen heile Welt so plötzlich aus den Fugen geraten ist, und der nur ein einziges Ziel vor Augen hat: seine geliebte Jenny wann und wie auch immer zu finden – ein Versprechen, dass er ihr noch in der Minute gab, als sie schwer verletzt von ihm getrennt wurde.
Jenny, sie dominiert seine Erinnerungen – die einzige wahre Liebe – romantische Erinnerungen. Mir persönlich mit Apfelbaum und Gitarre etwas zu „romantisch“. Andererseits dürfte in seiner fast aussichtslosen Lage „etwas zu romantisch“ angebracht sein, und vielleicht ist es sogar viel mehr als die Liebe zwischen Mann und Frau – die unausweichliche Verschmelzung zweier Seelenverwandter (Amsel, ich höre sie singen).
Ob letztendlich für den Protagonisten doch noch ein weiterer guter Tag anbricht, mögen die geneigten Leser nun selbst herausfinden.
Meine Empfehlung mit fünf verdienten Sternen hat er!
„Der letzte gute Tag“ von Ian Cushing.
‼️Ihn und seine Romane persönlich kennenlernen : Beim „Fest der Bücher“ in Einbeck am 21.6.2025.