Ilona Arfaoui – Der König der Schatten

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Kurzmeinung: Eine toller Fantasyroman, der fesselt und überrascht!

Ein phantastischer Roman vom Feinsten!

Über eine tolle Buchgruppe bin ich auf die Autorin Ilona Arfaoui aufmerksam geworden und habe mir ihren Roman „Der König der Schatten“ gekauft. Eigentlich ist Fantasy per se nicht so mein Genre, aber den eigenen Horizont zu erweitern kann ja nicht schaden, oder? Und wo wir grad bei Geständnissen sind: Bücher mit über 500 Seiten machen mir Angst, sind doch oftmals in so langen Geschichten Hänger zu erwarten und ich brauche gefühlt eine Ewigkeit, um sie zu lesen.
Doch die Belohnung für meinen „Mut“ folgte auf dem Fuße: „Der König der Schatten“ ist ein absolut großartiges Buch mit einer fesselnden Geschichte. Ihr müsst also gar nicht mutig sein, um das Buch zu genießen, sondern lediglich Lust auf eine hervorragende Geschichte haben!

Die Geschichte spielt hauptsächlich zwischen 870 und 911 in Irland, lässt uns aber auch einen Blick in die Gegenwart werfen.
Das Setting lässt, wenn man das Buch nicht kennt, darauf schließen, dass sich Ilona Arfaoui sehr um eine adäquate Sprache bemühen musste, um der Zeit gerecht zu werden, aber der Kniff, den sie benutzt, ist einfach und wirkungsvoll (und ich spoiler ihn nur, weil er für meinen Lesegenuss essentiell war!). 
Bei der Geschichte handelt es sich um eine Übersetzung einer Chronik im mittelirischen Dialekt aus der genannten Zeit, die von einem jungen Burschen, der übrigens auf den wundervollen Namen Ian hört, angefertigt wurde und einem gewissen Professor Sir Lawrence Duncan übergeben wird, der feststellt, „dass der forsche Ian allerdings eine äußerst moderne Version zustande gebracht hatte“. Und so rauscht man anstatt durch verstaubte Worte durch die lebendig, mitunter flapsig, erzählten Ereignisse der neun Erwählten und deren Familien, der Dunklen Herrscher, des Königs und vieler anderer und Ilona hat eine großartige Mischung zwischen Lockerheit und Anspruch gefunden!

Die Chronik wurde von einem der neun „Erwählten“, nämlich Finian, in seinem „Exil“ aufgeschrieben und beschreibt genauestens die Ereignisse, die letztendlich dafür sorgen, dass ein ganzes Königreich untergeht.
Er berichtet uns von den Geschehnissen und wir tauchen immer wieder tief in die Geschichte ein.
Hätte Ilona vorgehabt, alle Ereignisse, die wir erleben dürfen, en detail dazustellen, hätte sie mindestens fünf oder sechs Bände einer Saga veröffentlichen müssen, die sicher alle den Umfang von „Der König der Schatten“ haben würden. 

Ohne zu viel von der Geschichte zu verraten (die solltet ihr eindeutig selber genießen), kann ich sagen, dass sie hauptsächlich von dem Sohn des Königs BrianCahal, handelt; sie handelt aber auch von Freundschaft und Liebe, Verrat und Tod; Sex and Violence; Schicksal; Sehnsucht; vergebenen Gelegenheiten; Schuld;  der Befreiung von den Dunklen Herrschern, die die Bevölkerung zu schrecklichen Opfern nötigen und neben der realen Welt auch über das „Schwarze Land“ herrschen; von der Liebe zu den falschen Menschen und von falschen Entscheidungen und den desaströsen Konsequenzen, die daraus entstehen. 

Sind es viele „kleine“ Ereignisse, derer wir Zeugen werden, ist das Ergebnis durchaus als episch zu bezeichnen, denn wir erleben nicht weniger als den Lebensweg Cahals vom Sohn des Königs zum Erwählten und König und schließlich den Untergang seines Königreiches durch Verrat. Natürlich ist das jetzt von mir sehr kurz gegriffen, da es bei weitem nicht alles ist, dessen Zeugen wir werden, aber ich will hier nicht zu viel von der Story spoilern. Lest es einfach selbst! 

Als wären die Ereignisse an sich nicht unterhaltsam und spannend genug, versteht es die Autorin hervorragend, immer wieder mit einzelnen Sätzen künftige Ereignisse anzudeuten, die sie erst nach dem einen oder anderen Schlenker erzählt und somit für eine Extraportion Spannung sorgt. Ich zumindest hab an vielen Stellen Schnappatmung bekommen (und gerne auch geflucht und spekuliert) und konnte einfach nicht aufhören zu lesen, weil ich unbedingt wissen wollte, wer und warum … 

Was man zu Anfang für eine „Rahmenhandlung“ hält, wird in der Mitte des Buches herrlich gedreht und ist am Ende der Twist schlechthin! Ich liebe solche Enden!
Ilona empfahl mir, mit „Der König der Schatten“ zu beginnen und dann erst „Der Hexenmeister, die Macht und die Finsternis“ zu lesen und diese Empfehlung (auch wenn „Der Hexenmeister …“ erst noch von mir gelesen werden muss) gebe ich hiermit an euch weiter. Nach dem Genuss (und das war es) vom „König der Schatten“ erscheinen auch die Leseproben vom „Hexenmeister …“ in einem ganz anderen Licht und ihr ahnt schon, welches Buch demnächst bei mir einziehen wird. 

Ilona Arfaouis Schreibstil ist großartig, unterhaltsam und frei von jeglichem Makel und darüber hinaus besitzt sie eine persönliche Note, was ich ganz besonders zu schätzen weiß.
Durch die bereits erwähnte lebendige Sprache wird man in den Lauf der Geschichte hineingezogen und hat sehr schnell ein Bild der Räume und Personen vor sich. Sie erzählt äußerst humorvoll (wo pinkelt schon ein Prinz in einen Bierkrug, um ihn jemandem zu kredenzen?), aber wir versinken durch ihre Worte genauso in der Verzweiflung, dem Zweifel, der LiebeSie findet für jedes Ereignis schlicht und ergreifend den richtigen Ton.

Auf effektheischenden Hokuspokus, wie er in manchen Fantasyromanen durchaus üblich ist (und den ich wohl überwiegend mit dem Genre verbinde … ihr wisst schon … Zauberstab, Elfen, Einhörner, Bling-Bling-Hexereien und so), verzichtet sie, denn auch wenn Magie eine große Rolle spielt, wird sie so selbstverständlich eingesetzt, wie das Schwert zu schleifen oder Bier zu trinken. Bei „Der König der Schatten“ steht nicht die Magie, sondern tatsächlich der Mensch, seine Entwicklung und die Konsequenzen des eigenen Handelns im Mittelpunkt, was wiederum dafür sorgt, dass man gerne die menschliche Natur an sich hinterfragt.
Natürlich gibt es das Schwarze Land und das Niemandsland und die Anderswelten, magische Amulette und Geschöpfe, Beschwörungen und Telepathie, aber dennoch wirkt die Geschichte sehr realistisch, bodenständig und erwachsen (nicht nur wegen der pikanten Szenen) auf mich.
Schmusige Einhorn-Fans kommen somit nicht wirklich auf ihre Kosten, sofern die Erwähnung eines geschnitzten Einhorns sie nicht in Ekstase versetzt und Drachen-Fans gehen dagegen leider komplett leer aus.

Was mich als Selfpublisher natürlich immer interessiert, ist, wie das Buch als solches umgesetzt wurde und da möchte ich meinen Hut ziehen. Der Buchsatz ist optimal gestaltet, mich sind nur extrem wenige Tippfehler (die passieren einfach) aufgefallen und als Bonbon hat Ilona Arfaoui auch den Buchumschlag selbst gestaltet und vor allem gezeichnet! 

Dank eines kleinen Glossars über die Welten und der Beschreibung der wichtigsten Personen, kann man jederzeit, sollte man mal den Überblick verlieren, nachschlagen und alles in allem darf ich sagen, dass das Buch handwerklich absolut einwandfrei ist. 

Ilona Arfaoui hat mit „Der König der Schatten“ all das geschafft, was ich mir von einem Selfpublisher wünsche: Eine spannende, packende Geschichte in einer großartigen Umsetzung und sie hat den Beweis erbracht, dass sich einige Selfpublisher in keiner Weise hinter Verlagsautoren verstecken müssen.
Absolute Empfehlung meinerseits!

https://www.lovelybooks.de/autor/Ilona-Sonja-Arfaoui/Der-K%C3%B6nig-der-Schatten-1986179940-w/rezension/2428281822/

[Es handelt sich bei „Meinen Gedanken zu anderen Büchern“ stets um meine rein subjektive Meinung als Leser und ich schreibe sie auf, weil mir danach ist. Das geschieht rein freiwillig.]

Alexander Wolf – Sinnbild / Fortsetzung

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Kurzmeinung: Ein Blick in die Abgründe der menschlichen Psyche …

Abgründe der menschlichen Seele

Eigentlich wollte ich eines Abends nur mal kurz in das Buch „Sinnbild (Fortsetzung)“ reinlesen, aber Alexander Wolf hatte mich bereits nach den ersten Seiten einfach in einen Schwitzkasten genommen, aus dem ich mich nicht befreien konnte. 

Der Vorgänger hatte mich bereits überzeugt, aber mit der Fortsetzung legt Alexander Wolf noch eine Schippe drauf. Ich will versuchen, nicht zu viel zu spoilern, aber was den Leser erwartet, ist nichts weniger als der verstörende Einblick in die Leben dreier Protagonisten.

Wir tauchen in (relativ) kurzen Kapiteln in das Seelenleben von Michael, Frank und Karl ein. Sie erzählen uns, ausgehend von drei vollkommen verschiedenen Ausgangssituationen, unter anderem von ihrer Kindheit, die gar nicht mal so unterschiedlich verlaufen ist. Es wäre billig, von einem kaputten Elternhaus als Entschuldigung für die Taten zu sprechen, derer wir Zeugen werden und das tut Alexander Wolf auch gar nicht. Er zeichnet einfach die Lebenswege nach und das macht er sehr packend. 

Wie viel von deinem Verhalten ist angeboren, wie viel ist die Reaktion auf eine Welt, die dich nicht versteht?

Die Gedanken, Selbstzweifel, Hilflosigkeit und die empfundenen Unzulänglichkeiten der Protagonisten entladen sich in Sex und Gewalt, wobei das nicht billig und plakativ, sondern auf krasse Weise verstörend und sehr real wirkt. Wir erleben nach und nach die Zwänge, die daraus resultierenden Handlungen und lernen die inneren Dämonen kennen, die die Protagonisten immer mehr in Besitz nehmen und die Abgründe offenbaren, die in der menschlichen Seele schlummern können.. 

Alexander Wolf schafft es erneut, ein kompromissloses, schonungsloses Buch zu schreiben, welches den Leser sicherlich über die Grenzen der individuellen Komfortzone hinauskatapultiert, da ich die Handlungen der Protagonisten teilweise schon als extrem (und dennoch auf eine erschreckende Weise als realistisch) empfinde. 

Bei dem Vorgänger stellte ich mir aufgrund der Geschehnisse in Michaels Leben viele Fragen; diesmal stellt er mich gefühlt vor vollendete Tatsachen, was dem „Genuss“ allerdings keinen Abbruch tut; eher das Gegenteil ist der Fall.

Allerdings werden die drei Handlungsstränge an einigen Stellen von Anmerkungen unterbrochen. Dieser Kniff des Autors ist extrem wirkungsvoll, da er die Handlungen stoppt und den Leser direkt mit den wichtigen Fragen des Lebens konfrontiert. 

Alexander Wolfs Art zu schreiben ist perfekt für diese Art der Geschichte: kurz, prägnant und hart. Daneben schafft er es allerdings, mit schönen Formulierungen die notwendige Tiefe zu kreieren, um dieses Buch nicht zu einer billigen Effekthascherei und inhaltsloser Extrem-Schreiberei werden lassen.

Das Buch ist sehr kurzweilig, weil man permanent und nachvollziehbar zwischen den Personen wechselt und Schicht für Schicht der Wahrheit näher kommt. Ab einem gewissen Punkt ahnte ich, wohin die Reise gehen wird, aber das Ende hat mich gelehrt, dass es doch nicht ganz so war, wie ich es mir ausgemalt hatte. Well done.

„Sinnbild (Fortsetzung)“ ist ein guter Grund, warum man einige Selfpublisher feiern sollte, denn ich glaube nicht, dass ein renommierter Verlag sich dieses Stoffes annehmen würde; und falls doch, bin ich sicher, dass der Inhalt verwässert werden würde. Allerdings ist es die ungeschönte In-your-face-Attitüde des Autors, die das Buch lesenswert macht.

https://www.lovelybooks.de/autor/Alexander-Wolf/SINNBILD-SINNBILD-Fortsetzung-2316699654-w/

[Es handelt sich bei „Meinen Gedanken zu anderen Büchern“ stets um meine rein subjektive Meinung als Leser und ich schreibe sie auf, weil mir danach ist. Das geschieht rein freiwillig.]

Paola Baldin – Bionic Soul

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Kurzmeinung: Alles hat ein Ende, nur die Hoffnung nicht.


Ein tolles Buch!

Nachdem mich Paola Baldin mit „Die Blüten meiner Schuld“ unglaublich begeistern konnte, habe ich natürlich auch ihren ersten großen Roman gelesen: „Bionic Soul“.

Ich weiß eigentlich gar nicht, wo ich anfangen soll.
In mehreren Social Medial-Postings habe ich die Meinung vertreten, dass Paola mit „Bionic Soul“ ein Referenzwerk, nicht nur im Bereich des Selfpublishings, geschaffen hat.
Und jetzt nach der Lektüre … weiß ich, dass ich absolut Recht hatte.

Die Aufmachung ihres Buches ist atemberaubend. Es sind nicht nur die liebevoll gestalteten Zeichnungen vor und in den Kapiteln, es ist das gesamte Layout des Buches, welches mich zutiefst beeindruckt, weil es von dem Herzblut zeugt, welches Paola in ihre Veröffentlichung gesteckt hat. Der Buchsatz ist grandios (ich weiß, wie schwierig es ist, es genau so hinzubekommen, wie man es will!) und Details wie verschiedene, den Anlässen entsprechende, Schriftarten sind dann noch die Kirsche auf der Sahne, meine Freunde.

Paola Baldin schreibt auf einen hohen Niveau und fernab von den typischen „Wie-schreibe-ich-einen-Roman“-Mainstream-Workshops, denn was man dort niemand beibringen wird, ist die Individualität, die sie erneut an den Tag legt. Und ja, ich bin ein Fan ihres Stils, der verspielt, blumig, unterhaltsam und tief ist … nur falls das noch nicht klargeworden sein sollte, auch wenn manche Formulierungen mir anfangs etwas quer von den Augen gelegen haben. Aber ganz ehrlich? Nach einigen Seiten ist das aber kein störender Faktor mehr, denn es ist ein Stil. Paolas (gerade eben erwähnter) vollkommen eigenständiger Stil. Und wer bin ich, einen individuellen Stil ernsthaft zu kritisieren? Eben! Und ein individueller Stil ist mir tausendmal lieber, als Romane aus der glattgebügelten Massenproduktion. 

Warum diese Kleinigkeit nicht mehr stört, wenn man sich eingelesen hat, hat einen guten Grund: Sie schreibt diese komplexe Geschichte so unglaublich gut, fesselnd, packend, dass man ihre Sätze einfach in sich aufsaugt. Ich habe die 366 Seiten regelrecht verschlungen und konnte es morgens kaum erwarten, mich abends wieder in die Golden City und die Leben von Dimitry, Stephanie und Polar zu schleichen. 

Zur Geschichte selbst … hach ja, diese verdammte Spoilergefahr …
Okay, die Geschichte ist einfach großartig. Obwohl die Rahmenbedingungen in der Welt nach den Dritten Weltkrieg mehr als schlecht sind, fühlt der Leser sich bei den Protagonisten und in der Golden City einfach wohl, geborgen und es ist eine wunderschöne Geschichte von Hoffnung, Menschlichkeit, Freundschaft und Opferbereitschaft.

Dass Paola Herzenswärme beim Leser entstehen lassen kann, ist seit „Die Blüten meiner Schuld“ bekannt, aber hier setzt sie, beinahe schon perfekt getimt, die richtigen Akzente und lässt dich an einer irren Verfolgungsjagd teilnehmen, Geheimnisse und die Schönheiten des Lebens inmitten einer zerstörten Welt entdecken, in ein Feuergefecht geraten und ein Mal weckt sie den Wunsch, mit den ausgelassenen Rebellen auf der Theke zu tanzen.
An zwei Stellen des Buches läuft man allerdings auch kurz Gefahr, die Autorin lauthals zu verfluchen … aber beruhigt euch; es hat alles einen tieferen Sinn.

Der Verlauf der Geschichte ist so flüssig und beinahe selbstverständlich, dass man sich dem Sog einfach nicht entziehen kann (wobei ich nicht wüsste, warum man das überhaupt versuchen sollte). Jedes Kapitel treibt die Geschichte voran, es gibt keinen Leerlauf, keine Langeweile und sie erschafft „ganz nebenbei“ eine so detaillierte Welt und Charaktere, dass man sich mühelos darin zurechtfindet. Keine Sequenz, so unterschiedlich das Setting auch sein mag, offenbart eine erzählerische Schwäche der Autorin und das finde ich absolut beachtlich! 

Mein Fazit
„Bionic Soul“ ist eine abenteuerliche Dystopie mit einen unheimlich hohen Unterhaltungswert, die allerdings so viel mehr sein kann, wenn man die Botschaften in die tieferen Ebenen des Verstandes und der Seele sinken lässt. 

Mich soll die Zaubersche holen, wenn dieses Buch nicht in verdammt vielen End-of-Year-Listen der Bloggerinnen und Blogger, aber auch von „normalen“ Lesern, als Lesehighlight des Jahres auftauchen sollte. 

https://www.lovelybooks.de/autor/Paola-Baldin/Bionic-Soul-2317422104-w/

[Es handelt sich bei „Meinen Gedanken zu anderen Büchern“ stets um meine rein subjektive Meinung als Leser und ich schreibe sie auf, weil mir danach ist. Das geschieht rein freiwillig.]

Paola Baldin – Die Blüten meiner Schuld

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Kurzmeinung: Das Buch ist meilenweit vom Mainstream entfernt und ein absolutes Lese-Muss. Großartig!

Nichts ist, wie es scheint

Ich schreibe nicht häufig Rezensionen zu Büchern, aber wenn mich ein Buch so unglaublich begeistert, wie es „Die Blüten meiner Schuld“ getan hat, kann ich nicht an mich halten.

Über eine Rezension bin ich auf „Die Blüten meiner Schuld“ von Paola Baldin aufmerksam geworden und habe blind zugeschlagen. Und was habe ich nun davon? Augenringe! Weil ich einfach nicht zu lesen aufhören konnte (und das will bei mir was heißen)!

In den 1950er bis 1970er Jahren war es eine Marketingmasche, dass Kinobesucher eine Schweigepflichterklärung unterschreiben mussten, in der sie sich verpflichteten, ihren Freunden nichts über das Ende bzw. den Verlauf des Filmes zu verraten. Suspense. Eine solche Verpflichtung unterschreibe ich auch hier, denn es wäre ein Sakrileg, zu viel zu verraten. 

„Die Blüten meiner Schuld“ beginnt als unglaublich romantische Liebesgeschichte. (Und jetzt alle so: Örks! – Aber ihr irrt euch gewaltig!) 

Aiden und seine Elise sind das ultimative Bilderbuchpärchen. Aiden, der trübsinnige, am Leben leidende, junge Mann trifft auf Elise, die ihn mit ihrer Lebensfreude aus dem Trübsinn herausholt und gemeinsam blühen sie auf und die ersten Kapitel beschreiben ihr Leben, welches an Herzlichkeit und Liebe, Verstehen und Vertrauen, kaum zu überbieten ist. Sie lehrt ihn, das Leben mit anderen Augen zu sehen und zu lieben. Klingt schnulzig? Ist es eindeutig nicht. Es ist wunderschön geschrieben und man versinkt in der Romanze; man lächelt, man lacht, man fühlt sich gut und nicht selten wird den Leser eine Art Herzenswärme durchfluten. Dieser Teil gleicht der Fahrt auf dem Riesenrad mit Zuckerwatte in der Hand: sanft und aufregend zugleich.
Ich habe das Buch heute Morgen meiner Frau empfohlen und sie fragte: „Das ist doch aber keine Liebesschnulze, oder?“ Doch, auf jeden und gleichzeitig auf keinen Fall. Ihr seid verwirrt? Gut so!

Aber der Titel und das Vorwort lassen beständig einen Schatten in eurem Hinterkopf herumspuken. Im weiteren Verlauf der Geschichte wächst dieser Schatten, aber nicht, wie ihr es euch jetzt vorstellt. Nichts ist, wie ihr es euch vorstellt, denn Paola Baldin versteht es meisterhaft, den Leser in die Irre zu führen und beinahe verrückt zu machen; natürlich im positivsten aller Sinne!

Nur noch so viel: Dieses Buch steckt voller Liebe und Romantik, aber es ist keiner dieser unsäglichen Liebesromane mit Bad Boys und schwer verliebten und gleichzeitig unnahbaren Frauen. Ich liebe die Charaktere und vor allem Aiden und Elise sind so natürlich gezeichnet, dass man nach wenigen Sätzen glaubt, sie zu kennen. Oder wenn die Schizophrenie etwas ausgeprägter ist: sie zu sein oder sein zu wollen (wenigstens bis zu einem gewissen Punkt). Aber auch die Nebenfiguren sind toll gezeichnet und fügen sich perfekt in dieses Kammerspiel ein.

Die Geschichte ist phantastisch realistisch. Echt. Und kein Liebesroman (falls ich es noch nicht zur Genüge erwähnt haben sollte …). Im Verlauf des Romans offenbart sich Schicht für Schicht die Wahrheit und auf diesem Weg sitzt ihr nicht mehr gemütlich in dem Riesenrad und lasst die Beine baumeln, sondern in einer emotionalen Achterbahn ohne Sicherheitsbügel und krallt euch im Sitz fest. Viel Spaß auf dem Ritt!

Was mich neben der Story noch unglaublich begeistert hat, ist der Stil, in dem das Buch geschrieben ist. Paola Baldin hat einen sehr individuellen, blumigen, verspielten und dennoch (und das ist wichtig!) vollkommen unkitschigen Stil, der den Ereignissen eine ungeheure Tiefe schenkt, die ich so in letzter Zeit selten erleben durfte. Sie setzt die richtigen Metaphern ein, die den empfänglichen Leser mitten in die Seele treffen, ihn berühren und ihn spüren lassen, dass in dieses Buch unglaublich viel Herzblut geflossen ist. Sie verzaubert, sie lässt dich zusammenzucken, sie fordert den Leser. Ab und an verteilt sie auch eine schallende Backpfeife und der arme Leser, der zu wissen glaubte, wohin die Reise geht, darf sich vollkommen neu orientieren. Das Buch ist meilenweit vom Mainstream entfernt und ein absolutes Lese-Muss. Großartig!

Es ist einfach wunderschön und erhebend für mich gewesen, ein Buch zu verschlingen (das hatte mit „Lesen“ nichts mehr zu tun!), das durch die Worte eine Tiefe und Kraft besitzt, die mich so dermaßen mitgerissen hat. In meinem Kopfkino hatte ich durch die bildliche Sprache und die Art der Geschichte das Vergnügen, einen von Alfred Hitchcock verfilmten Roman von Franz Kafka zu sehen.                                

In diesem Sinne: Kaufen! Lesen! Weitererzählen!

https://www.lovelybooks.de/autor/Paola-Baldin/Die-Bl%C3%BCten-meiner-Schuld-2037398896-w/

[Es handelt sich bei „Meinen Gedanken zu anderen Büchern“ stets um meine rein subjektive Meinung als Leser und ich schreibe sie auf, weil mir danach ist. Das geschieht rein freiwillig.]

Miriam Schäfer – Das Fehlen des Flüsterns im Wind

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Acabus Verlag

Kurzmeinung: Ein wunderbares Kleinod, eine Hommage an die Sprache und durchgehend unterhaltsam, inspirierend und geistig anregend zugleich.

Ein Genuss

Die Kunst bei einer Kurzgeschichte ist, dass der Autor dich aus deiner Realität herausreißt, in einer Situation absetzt und du dich trotz aller Kürze sofort zurechtfindest. Diese Kunst beherrscht Miriam Schäfer mit beeindruckender Eleganz.

Ich liebe Kurzgeschichten und die von Miriam haben es mir besonders angetan, denn sie erschafft in den ersten Sätzen der 21 Kurzgeschichten jeweils eine Welt, in die ich sofort eintauche, und sie entwickelt dabei einen Sog, der mich in die Geschichte zieht. In beinahe jeder Geschichte zieht mich der Sog aber noch viel weiter, nämlich unter die Oberfläche und auch wenn die Geschichte beendet ist, klingt sie nach und es dauert, bis ich wieder an die Oberfläche treibe und mich der nächsten Story widmen möchte.

Es wäre vermessen, ein Wunder und unglaubwürdig zu sagen, dass jede der 21 Geschichten mich gleichermaßen in seinen Bann gezogen hat, aber keine hat mein inneres Bewertungssystem schlechter als „gut“ zensiert. Das dürften allerdings die wenigsten sein, denn die meisten habe ich unter „herausragend“ abgespeichert.

Neben den Themen und Grundgedanken, die manchmal offensichtlich und manchmal im Nebel verborgen bleiben und sich mir nicht erschließen, – aber auf die sich jeder Leser ohnehin einen Reim machen kann, wie er lustig ist – ist es die Art und Weise, wie Miriam Worte benutzt. Ihr dürft die 184 Seiten gerne durchsuchen, ihr werdet kein einziges überflüssiges Wort finden; dafür entdeckt ihr Sätze jenseits der üblichen Unterhaltungsliteratur, die geschliffen und scharf sind und sich in die literarischen Zentren eures Verstandes und eurer Seele schneiden.
Das Sprachniveau ist beeindruckend und für mich ist es ein Genuss gewesen (und wird es immer wieder sein), solch eine ausgefeilte Sprache neueren Entstehungsdatums lesen zu dürfen.

Meine persönlichen Lieblingsgeschichten sind u.a. „Lichtbringer“, „Der Wunsch“, „Purpurnacht“, „Der Puppenspieler“, „Die Legende vom Halben Halbach“ und „Das Fehlen des Flüsterns im Wind“. Allerdings ist das nicht in Stein gemeißelt, denn genossen habe ich jede einzelne Story.

Für mich ist diese Sammlung von Kurzgeschichten – die in einem Zeitraum von 2011 bis 2017 entstanden sind und ein breites Feld an Themen abdecken –, ein wunderbares Kleinod, eine Hommage an die Sprache und durchgehend unterhaltsam, inspirierend  und geistig anregend zugleich.

https://www.lovelybooks.de/autor/Miriam-Sch%C3%A4fer/Das-Fehlen-des-Fl%C3%BCsterns-im-Wind-und-andere-phantastische-Kurzgeschichten-aus-dem-Halbdunkel-1521883212-w/

[Es handelt sich bei „Meinen Gedanken zu anderen Büchern“ stets um meine rein subjektive Meinung als Leser und ich schreibe sie auf, weil mir danach ist. Das geschieht rein freiwillig.]

Alexander Wolf – Sinnbild

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Kurzmeinung: Das Buch geht tiefer in die Abgründe der Seele, als sich mancher wünschen mag.

Aus dem Leben …

Generell bin ich kein großer Schreiber von Rezensionen, aber über eine Empfehlung (vielen Dank an Thrilling Books!) hat Alexander Wolf mich gefunden und neugierig auf sein Werk gemacht. (Vielleicht interessant für jeden Käufer / Autor: Der Versand über Amazon ging verdammt schnell!)
Aber nun zu meiner Meinung und meinen Gedanken zu „Sinnbild„, welches Alexander Wolf über BoD veröffentlicht hat.

Diese Geschichte ist kein leichter Stoff, das steht fest; allerdings schreibt Alexander Wolf so authentisch und real, dass es beim Lesen mitunter schmerzt. Er sagt selbst in seiner Danksagung, dass er „nie einen Plot und immer nur Gedanken aufgeschrieben habe“. Diese Herangehensweise sorgt dafür, dass der Leser hineingezogen wird in einen Strudel düsterer, depressiver Gedanken. Diese sind unkomfortabel, schonungslos und auch wenn man sich nicht unbedingt mit ihnen identifizieren muss oder kann, sind sie, wenn der Leser entsprechend empathisch ist und weiß, dass es Seelenzustände jenseits des schönen Scheins gibt, durchaus nachvollziehbar.

Erzählt wird die Geschichte von Michael und Ophelia, die im Grunde ein gutes Leben haben, aber dennoch beide mehr oder minder unglücklich sind. Ihre Unzufriedenheit versuchen die beiden, unabhängig voneinander (da man es versäumt, darüber zu sprechen), mit dem ältesten Trieb der Welt zu übertünchen – Sex. Aber wie so oft im Leben ist es nicht das Gleiche, wenn zwei Dasselbe tun.

Abwechselnd tauchen wir ein in die Gedankenwelten von Michael und Orphelia und werden Zeuge, wie die Spirale aus Unzufriedenheit, Eintönigkeit und der daraus resultierenden Depression (oder ist es anders herum?) den Menschen dazu treibt, Dinge zu tun, die er nie für möglich gehalten hatte. In Michaels Falle begleiten wir ihn auf dem Weg, während wir bei Ophelia im Fortgang der Geschichte vor vollendete Tatsachen gestellt werden, was einen ziemlich guten Twist darstellt.

Besonders gelungen finde ich persönlich die kurzen Kapitel, in denen ein Erzähler die Geschichte vorantreibt, sorgt es doch für eine schöne Abwechslung. An manchen Stellen arbeitet Alexander Wolf ganz hervorragend mit Bildern und surrealen Szenen, die sehr visuell sind.
Inspirierend sind auch die Zitate aus Shakespeares Werken, die dem folgenden Texten immer wieder eine Stimmung geben.

Zum Ende des Buches, zu dem es einen Nachfolger geben wird, denn die Geschichte ist nicht zu Ende erzählt, hat Alexander Wolf noch eine brutale Wendung / überraschenden Cliffhanger eingebaut, der mich hoffen lässt, dass der zweite Teil schnell folgen wird. Es wird spannend sein zu sehen, wie die Geschichte weitererzählt wird und in welche Richtung sie sich entwickelt, denn der Weg ist offen und kann jede erdenkliche Wendung nehmen.

Im Anhang ist bereits ein kleiner Ausschnitt des zweiten Teiles enthalten, die unkorrigiert und unlektoriert einen kleinen Vorgeschmack gibt.

Es ist die Ehrlichkeit, die das Buch lesenswert macht und das Thema „Sex“ regt zum überprüfen der eigenen Maßstäbe und Moral an. Einerseits sind sexuelle Reize allgegenwärtig, wie zum Beispiel in der Werbung etc., denn „sex sells“ und gleichzeitig sind die individuellen Bedürfnisse ein Tabu, auch für das betroffene Individuum, wie wir bei Michael erleben können. Darüber hinaus kann man Gedankenspiele spielen, ob die Pauschalisierung von Ehe – Liebe – Sex zwingend bei jedem Paar sinnvoll sein mag. Aber darüber sollte sich jeder Leser selbst Gedanken machen.

Es sind interessante Fragen, die sich dem Leser bei der Lektüre stellen können und weit mehr, als man von den Bestsellerlisten erwarten kann, denn hier ist die Seele der Protagonisten kein massentaugliches Konstrukt (wie die unzähligen depressiven Kommissare aus Skandinavien), sondern es geht tiefer in die Abgründe der Seele, als sich mancher wünschen mag.

Ich verstehe Alexander Wolf als einen „Untergrund-Autor“, einen Selfpublisher, der sich keinen Normen der Verlage zu beugen braucht und daher, wie alle seine Kollegen, machen sollte und vielmehr machen muss, was er will. Nur so entsteht unter der glatten Oberfläche des Mainstreams und der gleichgeschalteten Bestsellerlisten etwas, das sich zu entdecken lohnt.

Da es sich um ein selbstveröffentlichtes Buch handelt, muss / darf / sollte man kein perfektes Layout oder Lektorat erwarten (was finanziell den Rahmen des Hobbys deutlich sprengen würde); allerdings habe ich die breiten Ränder, den großen Zeilenabstand und die Schriftart als sehr angenehm beim Lesen empfunden.

Das Cover ist großartig umgesetzt und zusammen mit dem strukturgeprägtem Paperback ergibt es eine hochwertige Gesamterscheinung.

Ich empfehle „Sinnbild“ von Alexander Wolf allen Lesern, die den Mut haben, jenseits des Mainstreams in die schonungslos offengelegten Gedanken eines Autors einzutauchen und sich auch nicht davor scheuen, sich nach der Lektüre einige unbequeme Fragen zu stellen.

https://www.lovelybooks.de/autor/Alexander-Wolf/Sinnbild-1632733193-w/

[Es handelt sich bei „Meinen Gedanken zu anderen Büchern“ stets um meine rein subjektive Meinung als Leser und ich schreibe sie auf, weil mir danach ist. Das geschieht rein freiwillig.]